Leitsatz

1. Die Vorschrift des § 4 Abs. 6 Satz 6 Alternative 2 des Umwandlungssteuergesetzes in der im Streitjahr 2015 anwendbaren Fassung (UmwStG 2006), nach der ein Übernahmeverlust außer Ansatz bleibt, ist für im Privatvermögen und im Betriebsvermögen gehaltene Anteile an der übertragenden Körperschaft anwendbar.

2. Ein für den Abzug des Übernahmeverlusts schädlicher Anteilserwerb innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag liegt wegen der Fiktion des § 5 Abs. 1 UmwStG 2006 auch dann vor, wenn der übernehmende Rechtsträger die Anteile tatsächlich erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag angeschafft hat.

3. § 4 Abs. 6 Satz 6 Alternative 2 und § 7 UmwStG 2006 sind weder teleologisch zu reduzieren noch verfassungswidrig, soweit sich bei der Ermittlung des Übernahmeverlusts oder der offenen Rücklagen ausgewirkt hat, dass Pensionsrückstellungen in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz der übertragenden Körperschaft in unterschiedlicher Höhe passiviert waren.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 4, 5, 6 Satz 6, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 2, § 5 Abs. 1, § 7 UmwStG 2006, § 6a, § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 8 EStG, Art. 3 Abs. 1 GG

 

Sachverhalt

Der Kläger erwarb im Laufe des Jahres 2016 sämtliche Anteile einer GmbH. Ebenfalls im Jahr 2016 übertrug die GmbH ihr gesamtes Vermögen auf das Einzelunternehmen des Klägers. Die im Jahr 2016 in das Handelsregister eingetragene Verschmelzung erfolgte rückwirkend auf den 1.1.2016 und mit steuerlicher Rückwirkung auf den 31.12.2015. Die übergehenden Wirtschaftsgüter wurden bei der GmbH grundsätzlich mit den gemeinen Werten angesetzt, hinsichtlich der für den Kläger gebildeten Pensionsrückstellung wegen § 3 Abs. Satz 2 UmwStG aber mit dem nach § 6a EStG berechneten Teilwert. Danach ergab sich ein Verschmelzungsgewinn aus steuerpflichtigen gewerblichen Einnahmen gemäß § 7 Satz 1 UmwStG 2006 und ein Übernahmeverlust gemäß § 4 UmwStG. Letzteren ließ das FA wegen des Anteilserwerbs des Klägers nicht zum Abzug zu. Die anschließend erhobene Klage hatte keinen ­Erfolg (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 28.5.2020, 1 K 148/18, Haufe-Index 14205799).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Kläger als unbegründet zurück. Im Streitfall sei die Abzugsfähigkeit des Übernahmeverlusts nach § 4 Abs. 6 Satz 6 Alternative 2 UmwStG 2006 ausgeschlossen, da der Kläger die Anteile innerhalb von fünf Jahren vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag entgeltlich erworben habe. Das Abzugsverbot sei weder durch eine teleologische Reduktion des § 4 Abs. 6 Satz 6 Alternative 2 UmwStG 2006 noch des § 7 Abs. 1 UmwStG auszuschließen. Es bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Normen.

 

Hinweis

1. Bei einer Verschmelzung einer Körperschaft auf eine natürliche Person sind die übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft grundsätzlich mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2006). Abweichend hiervon sieht § 3 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 jedoch vor, dass für die Bewertung von Pensionsrückstellungen§ 6a EStG gilt und deshalb höchstens der Teilwert der Pensionsverpflichtung gemäß § 6a Abs. 3 EStG passiviert werden darf.

2. Ergibt sich aus dem Vermögensübergang ein Übernahmeverlust, sind die Abzugsbeschränkungen nach § 4 Abs. 6 UmwStG zu beachten. § 4 Abs. 6 UmwStG 2006 setzt einen sich aus der Anwendung der § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG 2006 ergebenden Übernahmeverlust voraus. Er knüpft daher nicht bereits an das sich nach § 4 Abs. 4 UmwStG 2006 zu errechnende Übernahmeergebnis der ersten Stufe, sondern erst an ein negatives Übernahmeergebnis auf der zweiten Stufe an.

3. Nach § 4 Abs. 6 Satz 6 Alternative 2 UmwStG 2006 bleibt ein Übernahmeverlust außer Ansatz, soweit die Anteile an der übertragenden Körperschaft innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag entgeltlich erworben wurden. Die Vorschrift gilt sowohl für im Privatmögen als auch für im Betriebsvermögen gehaltene Anteile.

4. Erfolgt der Anteilserwerb erst nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag, ist die Rückwirkungsfiktion des § 5 Abs. 1 UmwStG anzuwenden. Danach hat der übernehmende Rechtsträger, der die Anteile nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag angeschafft hat, seinen Gewinn so zu ermitteln, als hätte er die Anteile an diesem Stichtag angeschafft.

5. Da § 4 Abs. 6 Satz 6 Alternative 2 UmwStG darauf abstellt, dass die Anteile an der übertragenden Körperschaft "innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag" entgeltlich erworben wurden, handelt es sich bei dem Fünfjahreszeitraum um eine in die Vergangenheit gerechnete Rückwärtsfrist. Es wird also nicht ab dem Zeitpunkt des entgeltlichen Erwerbs in die Zukunft gerechnet, ob der Übertragungsstichtag noch innerhalb des Fünfjahreszeitraums liegt, sondern ab dem Übertragungsstichtag in die Vergangenheit, ob der entgeltliche Erwerb noch innerhalb des Fünfjahreszeitraums liegt. Dabei hat der BFH in der Besprechungsentscheidung offengelas...

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