Leitsatz

Das Finanzamt hat bei der Anwendung der verlängerten Festsetzungsverjährungsfrist die Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung nachzuweisen. Widersprüche in den Angaben des Steuerpflichtigen und seine mangelnde Mitwirkung reichen hierzu nicht aus.

 

Sachverhalt

Die Klägerin zeigte 1999 dem Finanzamt an, dass sie Ende 1992 einen bezifferten Geldbetrag bei einer Bank in Luxemburg angelegt hatte. Weder das Kapital noch die angefallenen Zinsen waren in den Vermögensteuer- und Einkommensteuererklärungen der Klägerin angegeben. Die Depotbestände und Zinserträge der Jahre 1992 bis 1999 wurden nacherklärt. Die Änderungsbescheide für den von der Selbstanzeige umfassten Zeitraum ab 1993 sind nicht streitbefangen. Das Finanzamt forderte die Klägerin auf, für den Zeitraum 1989 bis 1992 ihre bisherigen Erklärungen zu überprüfen und die Herkunft des in Luxemburg angelegten Kapitals nachzuweisen. Die Klägerin gab an, dass das in Luxemburg angelegte Kapital aus geerbten Pfandbriefen und Wertpapieren sowie aus Privatvermögen stamme. Unter Hinweis auf die zehnjährige Festsetzungsverjährung bei Steuerhinterziehung änderte das Finanzamt auch die Steuerbescheide für den Zeitraum 1989 bis 1992. Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatbestandsverwirklichung einer Steuerhinterziehung sind auch in den Einspruchsentscheidungen nicht enthalten.

 

Entscheidung

Die Klage war zulässig und begründet. Hänge die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden von einer Steuerhinterziehung ab, um die verlängerte Festsetzungsverjährungsfrist zur Anwendung zu bringen, so müsse die Tatbestandsverwirklichung einer Steuerhinterziehung vorliegen. Das Finanzamt trage die objektive Feststellungslast für das Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale. Es habe die Tatbestandsverwirklichung von Amts wegen zu ermitteln und nachzuweisen. Die Tatbestandsverwirklichung einer Steuerhinterziehung könne nicht geschätzt oder auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen gestützt werden. Das Finanzamt dürfe den Erlass der Steuerbescheide ebenso wenig auf die mangelnde Mitwirkung der Klägerin stützen. Die Klägerin könne das Nichtvorliegen von Tatsachen nicht beweisen, sondern nur bestreiten, was sie getan habe. Das Finanzgericht war von der Verwirklichung einer Steuerhinterziehung letztlich nicht überzeugt, so dass die streitbefangenen Änderungsbescheide angesichts der eingetretenen Festsetzungsverjährung rechtswidrig waren.

 

Hinweis

Die zehnjährige Festsetzungsfrist setzt voraus, dass eine Steuer hinterzogen wurde (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Das Finanzamt muss positiv feststellen und nachweisen, dass die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung verwirklicht sind (§§ 370, 370a AO). Gelingt dies dem Finanzamt nicht, ist es Gerechtigkeit für einen ehrlichen Steuerpflichtigen oder der Steuerhinterzieher hat Glück gehabt.

 

Link zur Entscheidung

Hessisches FG, Urteil vom 19.08.2003, 2 K 2519/00

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