Leitsatz

Die sog. Wertgebühr, die für die Bearbeitung von Anträgen auf verbindliche Auskünfte erhoben wird, ist dem Grunde und der Höhe nach verfassungsgemäß.

 

Normenkette

§ 89 Abs. 3 bis 5 AO i.d.F. des JStG 2007, § 2 Abs. 1, Abs. 3 StAuskV, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 108 Abs. 5 GG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, beantragte beim FA im Zusammenhang mit einer geplanten Umstrukturierung des Unternehmens die Erteilung einer verbindlichen Auskunft zu den Fragen, ob eine nicht verhältniswahrende Abspaltung die Anwendbarkeit von § 11 Abs. 2 und § 13 Abs. 2 UmwStG 2006 beeinträchtige und ob es sich bei den in ihrem Betriebsvermögen befindlichen Beteiligungen an ausländischen Vertriebsgesellschaften um wesentliche Betriebsgrundlagen handle. Den Gegenstandswert der Auskunft gab die Klägerin mit 1 274 581 EUR an. Das FA erteilte die begehrte Auskunft im Sinn der Klägerin und setzte dafür Gebühren gem. § 89 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 S. 1, Abs. 5 AO (sog. Wertgebühr) über 5 356 EUR fest.

Die Klägerin hält die Gebührenpflicht für die verbindliche Auskunft für verfassungswidrig. Ihre deswegen erhobene Klage blieb jedoch ohne Erfolg (FG Münster, Urteil vom 01.07.2010, 3 K 722/08 S, Haufe-Index 2388835, EFG 2010, 1973).

 

Entscheidung

Dabei blieb es auch nach der Revision der GmbH an den BFH. Alles Einschlägige ergibt sich aus den Praxis-Hinweisen (und natürlich dem Urteil selbst). Vermutlich ist dieses Urteil ohnehin nur eine "Durchgangsstation" auf dem Weg zum BVerfG über die Verfassungsbeschwerde.

 

Hinweis

1. Der BFH hat mit diesem Urteil – und zugleich und gleichermaßen mit seinem AdV-Beschluss vom 30.03.2011, I B 136/10 (nachfolgend S. 283; BFH/NV 2011, 1042) – entschieden, dass die vielfach beschriebene und kri­tisierte Gebührenpflicht für die Bearbeitung von ­Anträgen auf verbindliche Auskünfte durch die Finanzbehörden – die sog. Auskunftsgebühren, wie diese in § 89 Abs. 3 und 4 AO seit 2006 geregelt sind – nicht gegen das GG verstößt.

2. Die neu geschaffene Auskunftsgebühr sah sich von vornherein beträchtlichen rechtspolitischen, aber auch verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt: Das Steuerrecht sei derart kompliziert, dass die Finanzverwaltung gehalten sei, gebührenfrei über einschlägige Anfragen der Steuerpflichtigen Auskunft zu erteilen.

Diese und andere verfassungsrechtlichen Bedenken hält der BFH im Ergebnis nicht für durchschlagend: Die Gebühr gleicht einerseits als Gegenleistung den besonderen Aufwand aus, den die Behörde für die Bearbeitung der (oftmals hoch differenzierten und vielschichtigen) Auskunfsanträge anfällt. Andererseits schöpft die Gebühr auch den Vorteil ab, den die Steuerpflichtigen durch die Auskunft erlangen, nämlich eine verbindliche und tragfähige Grundlage für ihr weiteres wirtschaftliches Handeln. Gerade diese Vorteile sind es, dem der BFH besonderes Gewicht beimisst; die Behörden sind keineswegs "aus sich heraus" verpflichtet, solche Vorteile ohne Entgelt zur Verfügung zu stellen.

3. Dagegen wird oftmals ins Feld geführt: Das Steuerrecht sei derart komplex und kompliziert, dass es geradezu ein Akt verfassungsrechtlich einzufordernder behördlicher Fürsorge sei, dem Bürger mit verbindlichen Auskünften zur Seite zu stehen.

Das aber "kontert" der BFH mit dem Hinweis aus, dass besagte Komplexität und Kompliziertheit oftmals und nicht zuletzt auf das kreative Gestaltungsverhalten der Steuerpflichtigen zurückzuführen ist. Das eine bedingt eben das andere. Und das rechtfertigt dann auch eine Gebühr als Gegenleistung. Da gilt namentlich für den Bereich der Umstrukturierung, die häufig, wenn nicht vor allem Gegenstand von Auskunftsersuchen ist. Hier bewegt sich das Steuerrecht nicht im "klassischen" fiskalen Eingriffsrecht; das Gesetz stellt gewissermaßen nur den steuerpolitischen "Rechtsrahmen" zur Verfügung, um Umstrukturierungen auch steuerlich abzusichern. Auch dabei ist gewiss Transparenz und Berechenbarkeit vonnöten; nur: "kostenlos" muss das jedenfalls im Vorfeld von Umstrukturierungsmaßnahmen nicht sein.

4. Und sollte die Auskunft (ausnahmsweise) erforderlich werden, weil die Finanzverwaltung eine ganz und gar "sinnlos" erscheinende und von letztlich niemandem geteilte Auffassung vertritt und deswegen das Auskunftsverlangen geradezu provoziert, dann gibt es immer noch die Möglichkeit des Gebührenerlasses gem. § 227 (i.V.m. § 3 Abs. 4) AO.

Für die Zukunft soll solches im Gesetz verankert werden § 89 Abs. 7 S. 1 i.d.F. des Art. 3 Nr. 2 des Regierungsentwurfs eines Steuervereinfachungsgesetzes, das einen Gebührenverzicht wegen Unbilligkeit ausdrücklich vorsieht.

5. Schließlich: Der verfassungsrechtliche "Persilschein", den der BFH dem Gesetzgeber gibt, erstreckt sich auf die Gebühr sowohl "dem Grunde nach" wie auch "der Höhe nach". Beides bewegt sich aus Sicht des BFH im Bereich des Hinnehmbaren.

Das gilt zum einen für den sog. Gegenstandswert, den § 89 Abs. 4 S. 1 bis 3 und Abs. 4 AO bestimmt. Danach errechnet sich die in Anlehnung an die Gebühr nach Maßgabe von § 34 GKG nach dem Wer...

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