3.4.1 Handelsrecht

3.4.1.1 Einzelkaufmann

 

Rz. 24

Verbindlichkeiten eines Einzelkaufmanns gehören zu seinem betrieblichen Bereich, wenn sie durch den Betrieb seines Handelsgewerbes verursacht oder von ihm als betriebliche Verbindlichkeiten eingegangen worden sind. Es gilt die widerlegbare Vermutung, dass die von einem Kaufmann eingegangenen Verbindlichkeiten im Zweifel zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören.[1]

Für Steuerschulden, die ihre Verursachung im Unternehmergewinn oder Unternehmervermögen haben, besteht handelsrechtlich ein Passivierungswahlrecht, vgl. § 5 Abs. 5 Satz 2 PublG.[2]

[2] Justenhoven/Meyer, in Grottel u. a., Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 246 HGB Rz. 107.

3.4.1.2 Personengesellschaft

 

Rz. 25

Verbindlichkeiten einer Personengesellschaft sind dieser handelsrechtlich zuzurechnen, wenn sie in ihrem Namen begründet worden sind und damit zu ihrem Gesamthandsvermögen gehören. Das gilt auch für Verbindlichkeiten, bei denen die Gegenleistung privaten Zwecken eines Gesellschafters dient. In diesem Fall wird eine entsprechende Forderung gegen den Gesellschafter eingebucht oder es wird sein Privatkonto belastet.[1]

 
Praxis-Beispiel

Eine Personengesellschaft nimmt bei ihrer Hausbank ein Darlehen über 200.000 EUR auf, das durch eine Grundschuld an einem Betriebsgrundstück der Gesellschaft gesichert wird. Die Darlehenssumme stellt die Gesellschaft dem Gesellschafter A zinslos und ohne Sicherheitsleistung zur Verfügung. A verwendet sie zur Errichtung eines privaten Einfamilienhauses. Es wird daher gebucht:

Bank

200.000 EUR

an Darlehensverbindlichkeit

200.000 EUR

Darlehensforderung (Gesellschafter A) oder Privatkonto Gesellschafter A

200.000 EUR

an Bank

200.000 EUR

Werden Steuerschulden durch den Gewinn oder das Vermögen der Gesellschaft ausgelöst, dürfen die hierauf beruhenden Verbindlichkeiten nur dann von der Gesellschaft passiviert werden, wenn diese Steuerschuldnerin ist. Eine Einkommensteuerverbindlichkeit eines Gesellschafters darf also auch dann nicht von der Gesellschaft bilanziert werden.[2]

[1] Justenhoven/Meyer, in Grottel u. a., Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 246 HGB Rz. 112.
[2] Justenhoven/Meyer, in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 246 HGB Rz. 113; IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Handelsrechtliche Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften (IDW RS HFA 7), Rz. 32.

3.4.1.3 Kapitalgesellschaft

 

Rz. 26

Einer Kapitalgesellschaft sind alle Verbindlichkeiten zuzurechnen, die in ihrem Namen begründet worden sind. Es kommt hierbei nicht auf die Veranlassung an. Maßgeblich sind die allgemeinen Vertretungsvorschriften, insbesondere §§ 164 ff. BGB, §§ 78 ff. AktG, §§ 35 ff. GmbHG. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob die Verbindlichkeit wirtschaftlich mit dem Betrieb zusammenhängt, da eine Kapitalgesellschaft kein Privatvermögen haben kann.

3.4.2 Steuerrecht

3.4.2.1 Einzelunternehmer

 

Rz. 27

Einzelunternehmer dürfen nur ihre Betriebsschulden, also nicht auch ihre Privatschulden, bilanzieren.[1] Voraussetzung für die Bilanzierung einer Verbindlichkeit ist also die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen (objektiv wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb).[2]

 

Rz. 28

Die Frage, ob eine Verbindlichkeit zum Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen gehört, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Daher gibt es bei Verbindlichkeiten grundsätzlich kein gewillkürtes Betriebsvermögen.

Verbindlichkeiten gehören zum Betriebsvermögen, wenn sie mit dem Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen oder zu dem Zweck übernommen wurden, dem Betrieb Mittel zuzuführen. Die Zuordnung einer Verbindlichkeit zum Betriebs- oder Privatvermögen hängt daher von dem Anlass ihrer Entstehung ab. Eine Verbindlichkeit ist dann betrieblich veranlasst, wenn der sie auslösende Vorgang im betrieblichen Bereich liegt.[3] Sie rechnet auch dann zum Betriebsvermögen, wenn die Kreditaufnahme erforderlich geworden ist, weil dem Betrieb für private Zwecke Mittel entnommen worden sind.[4] Betrieblich veranlasst ist auch ein Darlehen, das ein Miterbe aufnimmt, um Ausgleichszahlungen an einen anderen Miterben gegen Überlassung eines zum Nachlass gehörenden Kommanditanteils leisten zu können.[5]

 

Rz. 29

Wird zur Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine Verbindlichkeit aufgenommen, so rechnet diese Verbindlichkeit zum notwendigen Betriebsvermögen und ist daher zu bilanzieren. Wird der Anlagegegenstand entnommen, so wird die zur Finanzierung des Wirtschaftsguts aufgenommene betriebliche Verbindlichkeit zu einer privaten Verbindlichkeit.[6]

Wird umgekehrt ein im privaten Bereich fremdfinanzierter Anlagegegenstand in das Betriebsvermögen eingelegt, so wird die private Verbindlichkeit zu einer betrieblichen Verbindlichkeit. Sie muss daher bilanziert werden.[7]

 

Rz. 30

Wird ein betrieblich genutztes, fremdfinanziertes Wirtschaftsgut veräußert oder scheidet es aus anderen Gründen aus dem Betriebsvermögen aus, wird die zur Finanzierung des Wirtschaftsguts aufgenommene Verbindlichkeit insoweit zu einer privaten Verbindlichkeit, als der Veräußerungserlös oder eine andere für das Aussche...

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