Rz. 891

In der GmbH-Praxis werden in vielen Fällen zusätzliche Gremien als "Beiräte", "Verwaltungsräte", "Aufsichtsräte", "Risikogremien" oder "Ausschüsse" gebildet. In zahlreichen Abhandlungen werden Kriterien dafür erörtert, wie diese Einheiten in die Kategorie "Aufsichtsrat" einerseits und "Beirat" andererseits einzuordnen sind: "Aufsichtsräte" seien hierbei Organe im Sinne des § 52 GmbHG, "Beiräte" stellten dagegen ein weiteres, von § 52 GmbHG nicht erfasstes Gremium dar. Diese weit verbreitete Differenzierung zwischen einem "Aufsichtsrat" im Sinne des § 52 GmbHG und einem "Beirat" als weiterem Gremium gründet insbesondere darin, dass der Begriff "Aufsichtsrat" durch das Aktiengesetz geprägt ist, so dass der Rechtsverkehr bei Verwendung dieses Begriffes ein an den Vorschriften des AktG orientiertes Gremium (insbesondere mit den im AktG dafür vorgesehenen Kompetenzen und Überwachungspflichten gegenüber der Geschäftsleitung) erwartet; bei einem "Beirat" besteht dagegen eine derartige Erwartungshaltung nicht. Im Ergebnis besteht allerdings Einigkeit darin, dass die konkrete Bezeichnung als "Aufsichtsrat" oder "Beirat" für die rechtliche Einordnung, ob ein Organ im Sinne des § 52 GmbHG vorliegt, irrelevant ist, entscheidend sind hierfür vielmehr die konkreten Kompetenzen, die die Gesellschafter dem Organ bzw. Gremium tatsächlich einräumen. Dies wird verschiedentlich durch die Formulierung auf den Punkt gebracht: "Ohne Überwachung kein Aufsichtsrat, sondern ein Beirat".[1]

 

Rz. 892

Die "richtige" Bezeichnung des Beratungs- oder Kontroll-Organs als "Beirat" oder "Aufsichtsrat" wird zusätzlich dadurch erschwert, dass § 52 Abs. 1 GmbHG für den fakultativen "Aufsichtsrat" einer GmbH zahlreiche Vorschriften, die das AktG für den Aufsichtsrat vorsieht, der Disposition der Gesellschafter unterstellt und somit insoweit die Ausgestaltung des "Aufsichtsrats" im Ermessen der Gesellschafter steht. Hierdurch werden die Grenzen zwischen Aufsichtsrat und Beirat in der nicht mitbestimmten GmbH fließend.

 

Rz. 893

Jedenfalls dann, wenn die Bestimmungen, die die Gesellschafter zu der Einrichtung des betreffenden Organs, seinen Kompetenzen, Rechten und Pflichten getroffen haben, lückenhaft oder interpretationsbedürftig sind, kann die Bezeichnung des Organs als "Aufsichtsrat" dahingehend Bedeutung erlangen, dass die aktienrechtlichen Vorschriften zum Aufsichtsrat ergänzend (ggf. lückenausfüllend) herangezogen werden. Dies auch und gerade vor dem Hintergrund, dass der Rechtsverkehr durch die ausdrückliche Bezeichnung als "Aufsichtsrat" von der Einrichtung eines dem aktienrechtlichen Aufsichtsrat nachgebildeten Organs ausgeht, das insbesondere umfangreiche Überwachungsbefugnisse gegenüber der Geschäftsführung besitzt.[2] Da der aktienrechtliche Aufsichtsrat die Geschäftsführung auf die Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Tätigkeit überwachen muss, wird der Rechtsverkehr vielfach einer mit einem als "Aufsichtsrat" bezeichneten Kontrollorgan versehenen GmbH gegenüber einer GmbH ohne derartiges Kontrollorgan gesteigertes Vertrauen entgegenbringen.

 

Rz. 894

Vor dem Hintergrund des zuvor Gesagten ist verständlich, dass in der Praxis der Begriff "Aufsichtsrat" für ein fakultatives Kontrollorgan tendenziell eher seltener und vorzugsweise der Begriff "Beirat" verwendet wird, auch wenn Kompetenzen, Rechte und Pflichten des Organs im Einzelfall denjenigen eines aktienrechtlichen Aufsichtsrats nachgebildet werden. Vielfach wird die Anwendbarkeit von § 52 GmbHG ausdrücklich ausgeschlossen, und zwar schon allein deshalb, um den Mitgliedern des Organs ein gegenüber dem AktG vorteilhafteres Haftungsregime (z. B. Beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit) zukommen zu lassen.

 

Rz. 895

Letztlich erscheint es mithin für das fakultative (Kontroll-)Organ praxisgerechter, dann, wenn die Gesellschafter keine ergänzende Heranziehung aktienrechtlicher Vorschriften wollen, das Gremium als Beirat zu bezeichnen und die Anwendbarkeit von § 52 GmbHG und der aktienrechtlichen Vorschriften zum Aufsichtsrat ausdrücklich auszuschließen. In diesem Rahmen können dann die Gesellschafter das Gremium frei als beratenden oder beschließenden Beirat ausgestalten. Ein beschließender Beirat übt hierbei Überwachungsfunktionen gegenüber der Geschäftsführung aus und trifft dazu innerhalb seines Zuständigkeitsbereiches Entscheidungen (z. B. Zustimmung zu oder Ablehnung von Geschäftsführungsmaßnahmen, die einem Zustimmungsvorbehalt unterliegen), während ein beratender Beirat lediglich beratende Aufgaben übernimmt, die allerdings auch überwachender Natur sein können, sich dann aber auf einen Bericht an die Gesellschafterversammlung betreffend die Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Geschäftsführungstätigkeit beschränken. Außerdem existieren "Fach"-Beiräte, also solche, die mit Fachleuten bestimmter Bereiche ausgestattet sind, um der Geschäftsführung besonderes (ggf. wissenschaftliches) Fachwissen zur Verfügung zu stellen.

 

Rz. 896

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