Leitsatz

1. Eine von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft vorgenommene entgeltliche Übertragung eines Bestands von Lebensrückversicherungsverträgen auf ein in einem Drittstaat ansässiges Versicherungsunternehmen, durch die dieses Unternehmen alle Rechte und Pflichten aus diesen Verträgen mit Zustimmung der Versicherungsnehmer übernommen hat, stellt weder einen unter die Art. 9 Abs. 2 Buchst. e fünfter Gedankenstrich und 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL noch einen unter Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 in Verbindung mit Nr. 3 dieser RL fallenden Umsatz dar.

2. Bei einer entgeltlichen Übertragung eines Bestands von 195 Lebensrückversicherungsverträgen wirkt sich der Umstand, dass nicht der Zessionar, sondern der Zedent für die Übernahme von 18 dieser Verträge ein Entgelt – nämlich durch Ansetzung eines negativen Werts – entrichtet, auf die Beantwortung der ersten Frage nicht aus.

3. Art. 13 Teil B Buchst. c der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass er auf eine entgeltliche Übertragung eines Bestands von Lebensrückversicherungsverträgen wie die im Ausgangsverfahren fragliche nicht anwendbar ist.

 

Normenkette

Art. 9 Abs. 2 Buchst. e, Art. 13 Teil B Buchst. a, d Nrn. 2-3, Buchst. c der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Swiss übertrug einem in der Schweiz ansässigen Versicherungsunternehmen S einen Bestand von 195 Lebensrückversicherungsverträgen. Für einen Teil wurde ein negativer Wert angesetzt, und entsprechend minderte sich der Kaufpreis. Die übertragenen Lebensrückversicherungsverträge betrafen ausschließlich Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland oder in Drittstaaten ansässig waren. Das FA meinte, das seien Lieferungen.

 

Entscheidung

Der BFH muss nun den konkreten Fall entscheiden.

 

Hinweis

Der BFH hatte Zweifel, ob es sich bei der Übertragung eines Versicherungsbestands um einen Versicherungs- oder Bankumsatz, einen als Rückversicherungsumsatz oder eine steuerfreie Übernahme einer Verbindlichkeit einerseits und aus einem steuerfreien Umsatz im Geschäft mit Forderungen andererseits handelt. Die Grundsätze des EuGH sind:

1. Die Auffassung des FG, es handle sich bei der Übertragung eines Versicherungsbestands um eine Lieferung, hat der EuGH – zu Recht – kurz und bündig verneint.

2. Die Begriffe "Versicherungsumsätze" und "Rückversicherungsumsätze" in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e fünfter Gedankenstrich (Leistungsort) und Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL (Steuerbefreiung) sind – als autonome Begriffe des Gemeinschaftsrechts – einheitlich auszulegen. Denn sie sollen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und Doppel- oder Nichtbesteuerung vermeiden. Das muss konsequenterweise dann auch für alle anderen Begriffe, die in mehreren Bestimmungen des gemeinschaftsrechtlichen Mehrwertsteuerrechts auftauchen, gelten.

3. Das Wesen eines "Versicherungsumsatzes" ist, die Verpflichtung des Versicherers dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen. Der Begriff Versicherungsumsatz umfasst aber auch die Gewährung von Versicherungsschutz durch einen Steuerpflichtigen, der nicht selbst der Versicherer ist, der aber im Rahmen einer Gruppenversicherung seinerseits seinen Kunden einen solchen Schutz durch Inanspruchnahme der Leistungen eines Versicherers verschafft, der das versicherte Risiko zu decken übernimmt. Weiter ist kennzeichnend für den Versicherungsumsatz die Identität des Dienstleistungsempfängers: Ein Versicherungsumsatz setzt seinem Wesen nach eine Vertragsbeziehung zwischen dem Erbringer der Versicherungsdienstleistung und der Person, deren Risiken von der Versicherung gedeckt werden, d.h. dem Versicherten, voraus.

4. Die Übertragung von Versicherungsverträgen erfüllt diese Charakteristika nicht. Sie entspricht auch keinem"Rückversicherungsumsatz". Diesen kennzeichnet, dass der Versicherer einen Vertrag schließt, in dem er sich verpflichtet, gegen Zahlung einer Prämie in dem in diesem Vertrag vereinbarten Umfang die Verbindlichkeiten zu übernehmen, die sich für einen anderen Versicherer aus den Verpflichtungen ergeben, die er aufgrund von Versicherungsverträgen gegenüber den bei ihm Versicherten eingegangen ist. Mit der Übernahme der Versicherungsverträge sind aber gerade die Rechtsbeziehungen zwischen der Zedentin und den (Rück-)Versicherten beendet.

5. Mit "Übernahme von Verbindlichkeiten" i.S.v. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der 6. EG-RL und Geschäft mit Forderungen i.S.v. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-RL sind Umsätze gemeint, die zwar nicht notwendigerweise von Banken oder Finanzinstituten getätigt werden müssen (die Art des Umsatzes ist entscheidend (!), in ihrer Gesamtheit aber in den Bereich der Finanzgeschäfte fallen müssen. Zweck der Befreiungstatbestände des Art. 13 Teil B Buchst. d der 6. EG-RL ist u.a. die Vermeidung einer Erhöhung der Kosten des Verbraucherkredits. Die Übertragung eines Bestands von Lebensrückversicherungsverträgen, ist – so der EuGH – daher seiner Art nach kein Finanzg...

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