Rz. 12

Die aktienrechtlichen Unternehmensverträge i. S. d. § 291 AktG konstituieren und gestalten unmittelbare gesellschaftsrechtliche Beziehungen zwischen den beteiligten Vertragsparteien sowie den außenstehenden Aktionären[1] der verpflichteten Gesellschaft und deren Gläubigern.[2] Die Verträge entfalten für die Dauer ihres Bestehens verfassungsändernde Wirkung, greifen in die Unternehmensstruktur der verpflichteten Gesellschaft ein und lockern die gesetzliche Vermögensbildung durch die Nichtanwendbarkeit der §§ 57, 58 AktG und § 60 AktG.[3] Aus diesem Grund werden die Verträge des § 291 AktG als organisationsrechtliche Verträge bezeichnet und gelten als Satzungsänderungen auf Zeit.[4]

 

Rz. 13

Bei Beherrschungsverträgen[5] ergibt sich die strukturändernde Wirkung aus der Unterstellung der abhängigen Gesellschaft unter eine fremde Leitung in Form des Weisungsrechts nach § 308 AktG, wodurch die eigenverantwortliche und weisungsfreie Leitung dieser Gesellschaft[6] durch die dazu berufenen Organe beeinträchtigt wird.[7] Die Unterstellung unter eine fremde Leitung hat außerdem zur Folge, dass während der Dauer des Vertrags die abhängige Gesellschaft im Interesse der herrschenden Gesellschaft geführt wird, was im Regelfall mit einer Zweckänderung der beherrschten Gesellschaft verbunden ist.[8]

 

Rz. 14

Der organisationsrechtliche Charakter von Gewinnabführungsverträgen[9] ergibt sich durch die Änderung des Gesellschaftszwecks der verpflichteten Gesellschaft mit dem Abschluss des Vertrags dahingehend, dass ein Gewinn nicht mehr im Interesse der verpflichteten Gesellschaft erzielt wird, sondern im Interesse der berechtigten Vertragspartei. Durch die Pflicht, den gesamten Gewinn abzuführen, entsteht bei der verpflichteten Gesellschaft kein Gewinn mehr, wodurch auch die Gewinnansprüche der außenstehenden Aktionäre[10] beseitigt werden. Darüber hinaus wird das Entscheidungsrecht der Aktionäre der verpflichteten Gesellschaft über die Verwendung des Bilanzgewinns[11] ausgeschlossen.[12]

Anstelle der Gewinnansprüche steht den außenstehenden Aktionären ein angemessener Ausgleich in Form einer Ausgleichszahlung[13] bzw. eine angemessenen Abfindung[14] zu.

 

Rz. 15

Die zuvor getroffenen Aussagen verdeutlichen, dass mit dem Abschluss eines organisationsrechtlichen Unternehmensvertrags die gerechte Teilhabe der außenstehenden Aktionäre an dem Vermögen und an der Ertragskraft der verpflichteten Gesellschaft beschränkt oder ganz ausgeschlossen wird. Es ist zudem davon auszugehen, dass der Erhalt des Gesellschaftsvermögens der unterstellten Gesellschaft während der Vertragslaufzeit nicht mehr in erster Linie im Interesse der Gesellschafter und Gläubiger der verpflichteten Vertragspartei erfolgt. Aus diesem Grund sieht das Aktienrecht spezielle Schutzmechanismen in Form von Regelungen vor, die während der Dauer des Unternehmensvertrags die vorher und nachher für die verpflichtete Gesellschaft gültigen gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen verdrängen.[15] So unterwirft der Gesetzgeber bei Abschluss eines Unternehmensvertrags i. S. d. § 291 AktG die beteiligten Vertragsparteien – neben den allgemeinen Regelungen der §§ 293299 AktG – den speziellen Vorschriften der §§ 300303 AktG (Absicherung der verpflichteten Gesellschaft und deren Gläubiger) und der §§ 304305 AktG (Ausgleichs- und Abfindungsansprüche).

 

Rz. 16

Die Einordnung der in § 291 AktG genannten Verträge als organisationsrechtliche Verträge schließt schuldrechtliche Elemente nicht aus.[16] So weisen sowohl der Beherrschungs- als auch der Gewinnabführungsvertrag für beide Vertragsparteien schuldrechtliche Bindungen in Form von Leistungspflichten auf.[17] Zu nennen ist hier insbesondere die Pflicht zur Verlustübernahme seitens des berechtigten Unternehmens, die für den Beherrschungsvertrag und den Gewinnabführungsvertrag gleichermaßen gilt.[18] Bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags ergibt sich im Gegenzug für das untergeordnete Unternehmen nach § 308 Abs. 2 Satz 1 AktG die unmittelbare Pflicht zur Befolgung von Weisungen durch das herrschende Unternehmen. Beim Gewinnabführungsvertrag ist die Unternehmensleitung der verpflichteten Gesellschaft hingegen nur angehalten, ihre Unternehmenstätigkeit – wie ein wirtschaftlich selbstständiges Unternehmen – auf die Gewinnerzielung auszurichten.[19]

[1] Sämtliche Aktionäre der untergeordneten Gesellschaft, die einen angemessenen Ausgleich beanspruchen können, sind außenstehende Aktionäre. Vgl. Krieger, DStR 1992, S. 433.
[4] Vgl. Weber/Kühnel, in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss, § 291 AktG Rz. 2, Stand: 5/2015; Emmeric...

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