Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit einer GmbH, obwohl nichtig, gleichwohl durchgeführt, so ist er nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft solange als wirksam zu behandeln und das herrschende Unternehmen zum Ausgleich der Verluste verpflichtet, bis sich einer der Vertragspartner auf die Nichtigkeit beruft und die Beherrschung ein Ende findet.

2. Ein Unternehmensvertrag endet regelmäßig, wenn ein Konkursverfahren über das Vermögen der beherrschten oder herrschenden Gesellschaft eröffnet wird.

3. Endet der Unternehmensvertrag vor Ablauf eines Geschäftsjahres, so ist das herrschende Unternehmen auch zum Ausgleich der Verluste verpflichtet, die bis zu diesem Stichtag während des Rumpfgeschäftsjahres entstanden sind.

 

Tatbestand

Die Parteien sind Konkursverwalter. Sie streiten darüber, ob der von dem Beklagten verwaltete Nachlaß des Dr. R. K. für vom Kläger geltend gemachte Geschäftsverluste der in Konkurs gefallenen G. GmbH zu haften hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die G. GmbH war Komplementärin der G. GmbH & Co. KG, deren Konkursverwalter ebenfalls der Kläger ist. Kommanditisten der G. KG waren die Dr. K. & Co. KG und zwei Einzelkaufleute. Einziger persönlich haftender Gesellschafter der Dr. K. KG war Dr. R. K.. Dieser verstarb am 13. Juli 1974. Sein Ausscheiden aus der Gesellschaft wurde am 30. August 1974 in das Handelsregister eingetragen. In die Komplementärstellung des Dr. K. ist die Kommanditistin Dr. E. K. im Wege der Sonderrechtsnachfolge eingerückt.

Durch den Konkurs ihrer Hausbank geriet die Unternehmensgruppe des Dr. K. im Juni 1974 in einen Liquiditätsengpaß. Weil sich in der Folgezeit kein anderes Kreditinstitut fand, mußte die Dr. K. KG im Oktober 1974 die Eröffnung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens über ihr Vermögen beantragen. Dieses Verfahren endete am 2. Dezember 1974 mit der Eröffnung des Anschlußkonkursverfahrens. Zuvor war am 1. November 1974 über das Vermögen der G. GmbH & Co. KG das Anschlußkonkursverfahren eröffnet worden. Am 8. Juli 1976 fiel schließlich auch die G. GmbH in Konkurs.

Der Kläger steht auf dem Standpunkt, daß die Dr. K. KG – und damit die Erben des persönlich haftenden Dr. K. – den der G. GmbH als Komplementärin der G. KG in den Geschäftsjahren 1974 bis einschließlich 1977 entstandenen Geschäftsverlust ausgleichen müßten. Zur Begründung dieses Anspruchs beruft der Kläger sich auf einen Beherrschungs- und Ergebnisübernahmevertrag zwischen der Dr. K. KG und der G. GmbH vom 1. April 1963, nach dessen § 1 die Kommanditgesellschaft seit 1. Januar 1963 an der GmbH zu rd. 77% beteiligt war. In § 4 dieses Vertrages heißt es u.a.: „Das Betriebsergebnis der „G.GmbH” wird in voller Höhe von der „K. KG” übernommen. Der Gewinn der „G.GmbH” ist nach Ablauf des Geschäftsjahres an die „K. KG” abzuführen. Verluste der „G.GmbH” sind von der „K. KG” zu erstatten”. Nach einer Zusatzvereinbarung vom 5. Juni 1964 ist das Vertragsverhältnis aus steuerrechtlichen Gründen bis zum 31. Dezember 1999 unkündbar verlängert worden. Der Vertrag wurde von den Vertragsparteien über die Jahre hinweg durchgeführt.

Am 2. Mai 1979 hat der Kläger eine i.S. des § 61 Ziffer 6 KO nicht bevorrechtigte Forderung von rd. 19 Mio DM zur Konkurstabelle des Nachlasses des Dr. K. angemeldet. Da der Beklagte der Feststellung der Forderung zur Konkurstabelle widersprochen hat, klagt der Kläger auf Feststellung, und zwar ursprünglich in Höhe von 14.588.842,18 DM. Den nunmehr geltend gemachten Verlust von 10.914.090,25 DM begründete der Kläger zuletzt anhand im März 1984 erstellter Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen der G. GmbH für die Zeit von 1974 bis Ende 1977.

Das Landgericht hat der Klage nach teilweiser Klagerücknahme stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Zurückverweisung.

I. Mit Recht hält das Berufungsgericht die Feststellungsklage i.S. des § 146 Abs. 1 KO für zulässig. Zwar erfordert das Gesetz, daß die Klage nur auf den Grund und nur auf den Betrag gestützt wird, welcher in der Anmeldung oder dem Prüfungstermin angegeben ist (§ 146 Abs. 4 KO). Daß der Kläger im vorliegenden Verfahren weniger fordert, als er ursprünglich zur Konkurstabelle angemeldet hatte, ist jedoch unerheblich; denn einer Beschränkung des Betrages steht der Schutzzweck des § 146 Abs. 4 KO nicht im Wege; lediglich eine Erhöhung des angemeldeten Betrages bleibt unzulässig (vgl. BGH, Urt. v. 8. November 1961 – VIII ZR 149/60, ZZP 75 (1962) S. 347, 351).

II. Das Berufungsgericht hält eine Haftung des Nachlasses des Dr. K. gemäß §§ 128, 161 Abs. 2 HGB i.V.m. § 1967 Abs. 1 BGB für nicht gegeben. Es begründet dies in erster Linie mit der Erwägung, daß bei Ausscheiden des Komplementärs Dr. K. aus der Gesellschaft (13. Juli 1974) in keiner Weise absehbar gewesen sei, ob der G. GmbH überhaupt Verluste entstehen würden; zum Zeitpunkt des Erbfalls habe dieser sonach kein einklagbarer Anspruch auf Verlustübernahme gegen die Dr. K. KG – und damit gegen Dr. K. persönlich – zugestanden. Aus dem Umstand, daß es sich bei dem Beherrschungs- und Ergebnisübernahmevertrag um ein Dauerschuldverhältnis handele, könne der Kläger nichts herleiten, weil im Hinblick auf die Ungewißheit der Entstehung etwaiger Verluste nicht der Grundsatz zur Geltung komme, wonach der persönlich haftende Gesellschafter für zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Gesellschaft bereits dem Grunde nach begründete laufende Verbindlichkeiten einstehen müsse. Darüber hinaus kommt das Berufungsgericht im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu dem Ergebnis, daß eine Verlustausgleichsverpflichtung auch deshalb nicht bestehe, weil diese nach Sinn und Zweck des Vertrages eine werbende Tätigkeit der herrschenden Dr. K. KG voraussetze; an dieser ungeschriebenen Bedingung fehle es, zumal nicht nur die Dr. K. KG unmittelbar nach dem Ausscheiden von Dr. K. ihre werbende Tätigkeit wegen der eingetretenen Krise eingestellt habe, sondern überdies auch die G. GmbH sowie die hinter ihr stehende G. KG seit Juli 1974 nicht mehr werbend tätig gewesen seien. Dem kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.

Der G. GmbH steht ein Anspruch auf Übernahme des Verlustes zu, wie er sich aus einer noch zu erstellenden Stichtagbilanz zum 2. Dezember 1974, dem Tag der Eröffnung des Anschlußkonkursverfahrens über das Vermögen der Dr. K. KG, (oder 1. November 1974 – vgl. die nachstehenden Ausführungen zu 1b) ergibt. Für den in der Stichtagbilanz ausgewiesenen Verlust muß der Nachlaß des Dr. K. einstehen. Dies gilt jedoch nicht für die nach diesem Stichtag entstandenen Verluste, weil der Unternehmensvertrag – und damit die Verpflichtung, die Verluste auszugleichen – mit der Eröffnung des Anschlußkonkursverfahrens über das Vermögen der Dr. K. KG (möglicherweise schon über das der G. KG) geendet hat.

1. Gemäß § 4 des Unternehmensvertrags sowie § 302 AktG (analog) hat die Dr. K. KG den Verlust auszugleichen, der bei der G. GmbH bis zum Beendigungsstichtag angefallen ist.

a) An diesem Ergebnis würde sich nichts ändern, falls der Unternehmensvertrag, wie vom Beklagten geltend gemacht, unwirksam wäre, weil sein Abschluß zwar steuerlichen (§ 17 KStG), nicht aber gesellschaftsrechtlichen Anforderungen genügte. Sollte der Vertrag aus diesem Grunde unwirksam sein, wäre er nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft gleichwohl als wirksam zu behandeln, solange er von den Beteiligten durchgeführt und nicht wegen des fehlerhaften Abschlusses oder aus sonstigen Gründen beendet wurde (vgl. Geßler in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 293, Rdnr. 59; Biedenkopf/Koppensteiner, KK, § 297, Rdnr. 16; Timm, BB 1981, 1491, 1497; ders. GmbHRdsch. 1987, 8, 12). Der Unternehmensvertrag des § 291 AktG ist kein schuldrechtlicher Vertrag, sondern ein gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag; er ändert satzungsgleich den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft, indem er insbesondere den Gesellschaftszweck am Konzerninteresse ausrichtet und in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter eingreift (vgl. Würdinger in GroßK. z. AktG, § 291 Anm. 6, 19, 39; Biedenkopf/Koppensteiner, Vorb. § 291, Rdnr. 20; § 291, Rdnr. 19; Geßler, aaO, § 291, Rdnr. 20ff; Ulmer in Hachenburg, § 53, Rdnr. 128, 132). Es mag Organisationsverträge geben, die auf Grund allgemeiner schuldrechtlicher Vorschriften rückabgewickelt werden können, wenn sie mangels wirksamer Ermächtigung von seiten der Gesellschafter oder aus sonstigen Gründen nichtig sind. Für Unternehmensverträge trifft das nicht zu. Durch den Beherrschungsvertrag erlangt das herrschende Unternehmen die Möglichkeit einer fast schrankenlosen Disposition über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft, die von Einflüssen mit eindeutig isolierbaren und deshalb ausgleichsfähigen Nachteilen bis zu solchen reicht, deren nachteilige Wirkung auf das Gesellschaftsvermögen rechnerisch nicht faßbar, vielfach nicht einmal erkennbar und deshalb im einzelnen auch nicht auszugleichen ist. Aus diesem Grunde sind Verlustübernahme und Sicherheitsleistung (§§ 302f AktG) auch dann, wenn der Unternehmensvertrag nichtig ist, die einzig sicheren Wege, um Gesellschafter und Gläubiger gegen eine Aushöhlung der bilanzmäßigen Substanz zu schützen. Jeder Vertragspartner hat zwar die Möglichkeit, sich von dem nichtigen Vertrage jederzeit loszusagen; die herrschende Gesellschaft kann aber dadurch ihrer Verpflichtung nicht entgehen, den bis dahin entstandenen Verlust auszugleichen. Die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auf nichtige, aber durchgeführte Unternehmensverträge erübrigt sich nicht deshalb, weil nach der Rechtsprechung des Senats die herrschende Gesellschaft in einem qualifizierten faktischen GmbH-Konzern in entsprechender Anwendung des § 302 AktG ebenfalls verpflichtet wäre, Verluste auszugleichen (vgl. BGHZ 95, 330, 345). Denn daß ein Unternehmensvertrag, obwohl nichtig, gleichwohl durchgeführt worden ist, vermögen die beherrschte Gesellschaft und ihre Gläubiger regelmäßig leichter nachzuweisen als die Tatsache, daß das herrschende Unternehmen in einer Intensität und Breite auf die Belange der abhängigen GmbH eingewirkt hat, wie es erforderlich ist, um einen qualifizierten faktischen Konzern annehmen zu können.

Da im vorliegenden Falle der Vertrag vollzogen worden ist und sich kein Vertragsteil auf dessen Nichtigkeit berufen hat, ist der Beklagte nach alledem verpflichtet, den Verlust der beherrschten GmbH auszugleichen.

b) Diese Verpflichtung endete, soweit sie künftige Verluste betrifft, spätestens mit der Eröffnung des Anschlußkonkursverfahrens über das Vermögen der herrschenden Dr. K. KG am 2. Dezember 1974. Zwar ist weder dem Vertrage selbst noch den entsprechend anwendbaren §§ 291ff AktG zu entnehmen, ob – und gegebenenfalls, welche – Auswirkungen die Eröffnung eines Konkursverfahrens oder gerichtlichen Vergleichsverfahrens über das Vermögen eines der am Vertrage beteiligten Gesellschaften auf den Bestand des Vertragsverhältnisses hat. Daß der Konkurs der Dr. K. KG die Auflösung des Vertragsverhältnisses und damit der Verpflichtung zum Verlustausgleich zur Folge hatte, ergibt sich aber aus einer an der vertraglichen Zielsetzung ausgerichteten ergänzenden Auslegung (§ 157 BGB) des Unternehmensvertrages.

Der Beherrschungsvertrag begründet für das herrschende Unternehmen das Recht, eine das Konzernganze umfassende unternehmerische Zielkonzeption zu entwickeln und zu verfolgen und diese, gegebenenfalls durch Ausübung ihres Weisungsrechts, in der beherrschten Gesellschaft auch durchzusetzen. Im Konkursfall sind aber sowohl die herrschende Gesellschaft als auch ihr Konkursverwalter hierzu nicht mehr imstande; damit endet das Vertragsverhältnis.

Die konkursbedingte Auflösung der herrschenden Gesellschaft bewirkt stets die Znderung ihres Zwecks; dieser ist nicht mehr auf Gewinnerzielung durch Betrieb eines werbenden Unternehmens gerichtet, sondern auf Verwertung des Gesellschaftsvermögens (vgl. Godin/Wilhelmi, AktG 4. Aufl. § 262 Anm. 2). Mit dem Wegfall des bisherigen Gesellschaftszwecks entfällt zugleich die Rechtsgrundlage der Konzernleitungsmacht. Denn die sich im Stadium der Abwicklung befindende Gesellschaft ist nicht mehr in der Lage, eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete Unternehmenspolitik für das Konzernganze zu betreiben (vgl. Hengeler/Hoffmann-Becking, Festschrift für Hefermehl 1976 S. 283, 302). Aus der eigenverantwortlichen Stellung des Konkursverwalters ergibt sich nichts anderes. Die Ausübung der Leitungsmacht gegenüber den Weisungsempfängern des abhängigen Unternehmens geht über die Aufgabe des Konkursverwalters hinaus, der lediglich die Konkursmasse im Interesse der Gläubigerschaft bestmöglichst und gleichmäßig zu verwerten, nicht aber einen Konzern zu leiten und Konzerninteressen wahrzunehmen hat (vgl. Jaeger/Weber, KO 8. Aufl. §§ 207, 208 Anm. 11; Bley/Mohrbutter, VerglO 4. Aufl. § 108 Rdnr. 8c; Würdinger in GroßKomm. z. AktG 3. Aufl. § 297 Anm. 7a; vgl. auch Karsten Schmidt, ZGR 1983, 513, 527 m.w.Nachw.). Daher spricht alles für die Annahme, daß vernünftige Parteien eine Beendigung des Vertragsverhältnisses vereinbart haben würden, wenn sie den Konkursfall bei Vertragsabschluß bedacht hätten. Eine sinnvolle Vertragsauslegung (§ 157 BGB) führt deshalb zu dem Ergebnis, daß das Vertragsverhältnis mit dem Termin der Eröffnung des Anschlußkonkursverfahrens über das Vermögen der herrschenden Dr. K. KG geendet hat, ohne daß es hierfür einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 297 Abs. 1 AktG (analog) seitens eines Vertragsteils bedurfte.

Unternehmensverträge enden allerdings auch, wenn die beherrschte Gesellschaft in Konkurs fällt. Zwar trat dieser Konkurs erst am 8. Juli 1976 ein, als der Unternehmensvertrag längst beendet war; sollte jedoch der Zweck der GmbH ausschließlich darin bestanden haben, die Geschäfte der G. KG zu führen, deren persönlich haftende Gesellschafterin sie war, könnte nach dem Willen der Vertragspartner der Unternehmensvertrag schon in dem Zeitpunkt beendet worden sein, als die G. KG am 1. November 1974 in Konkurs fiel und damit der beherrschende Einfluß der GmbH als Geschäftsführerin endete. Die Parteien werden Gelegenheit haben, hierzu näher vorzutragen, damit das Berufungsgericht feststellen kann, welcher Stichtag maßgebend ist.

Für die Annahme, der mit dem Unternehmensvertrag – insbesondere in steuerlicher Hinsicht (§ 14 KStG) – verfolgte Zweck habe mit dem Tode des persönlich haftenden Gesellschafters der herrschenden Gesellschaft entfallen sollen, ist nichts vorgetragen worden. Gekündigt wurde der Vertrag aus diesem Anlaß unstreitig nicht.

Weil es nach alledem keine Ausgleichspflicht ohne Leitungsmacht gibt, ist die Verpflichtung der Dr. K. KG, die künftigen Verluste zu übernehmen, mit dem 2. Dezember 1974, möglicherweise schon am 1. November 1974, entfallen. Dies gilt hingegen nicht für Verluste, die der beherrschten Gesellschaft vor diesem Zeitpunkt und damit auch während der Dauer des Vergleichsverfahrens entstanden sind. Die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens bewirkt nicht die Auflösung der Gesellschaft. Da dem Vergleichsverwalter im Gegensatz zum Konkursverwalter nur bestimmte Mitwirkungsrechte zwecks Überwachung des Schuldners und zur Unterstützung des Gerichtes zustehen, bleibt der vom gerichtlichen Vergleichsverfahren betroffenen herrschenden Gesellschaft auch genügend Raum, die Leitungsmacht gegenüber den Weisungsempfängern der beherrschten Gesellschaft auszuüben; allenfalls mag eine gewisse Beschränkung des Weisungsrechtes wegen der Überwachungsrechte des Vergleichsverwalters nicht ausgeschlossen werden. Die Erwägungen, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, das Vertragsverhältnis im Konkurs der herrschenden Gesellschaft als beendet zu betrachten, kommen daher hier nicht zum Tragen. Sondern es kann nur um die im gegebenen Fall nicht interessierende Frage gehen, ob die beherrschte Gesellschaft die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zum Anlaß nehmen kann, sich durch außerordentliche Kündigung i.S. von § 297 Abs. 1 AktG vom Vertrag loszusagen, und ob dasselbe Recht auch der herrschenden Gesellschaft wegen des Eintritts der eigenen Insolvenz zusteht (vgl. Bley/Mohrbutter, VerglO § 108 Rdnr. 8c, d; Hengeler/Hoffmann-Becking, Festschrift aaO S. 304).

Hieraus folgt zugleich, daß die Vertragsauslegung des Berufungsgerichtes nicht möglich ist und daher von der Revision nicht hingenommen werden muß. Denn zum einen ist – wie die Revision zu Recht geltend macht – kein Grund ersichtlich, der die Annahme rechtfertigen würde, daß die herrschende Dr. K. KG nach dem Willen verständiger und die Interessen der Gläubigerschaft wahrender Vertragsparteien in die Lage versetzt werden sollte, sich durch die Einstellung ihrer werbenden Tätigkeit der Verlustausgleichsverpflichtung zu Lasten der G. GmbH und deren Gläubiger zu entziehen. Zum anderen berücksichtigt diese Auslegung nicht, daß aus den dargelegten Gründen nicht einmal die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu einer Beendigung der Vertragsverhältnisses geführt hat; dies gilt um so mehr, als die Einstellung der werbenden Tätigkeit seitens einer oder beider Gesellschaften auch im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht ohne weiteres zur Auflösung des Vertragsverhältnisses führen, sondern allenfalls ein Recht zur außerordentlichen Kündigung (§ 297 Abs. 1 AktG) begründen könnte.

c) Die Verpflichtung, den Verlust auszugleichen, entfällt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht deshalb, weil sie vor Ende des laufenden Geschäftsjahres (1974) erloschen ist und damit nur den Verlust eines Rumpfgeschäftsjahres erfaßt. Zwar sieht § 4 des Vertrages eine Gewinnausschüttung erst nach Ablauf des jeweiligen Geschäftsjahres vor; damit korrespondiert die Verlustdeckungspflicht der Dr. K. KG. Ebenso ist richtig, daß § 302 AktG seinem Wortlaut nach nur die während der Vertragsdauer entstehenden „Jahresfehlbeträge” der Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens unterstellt. Hieraus ist jedoch – entgegen einer auch in der Literatur verbreiteten Meinung (vgl. Jaeger/Weber, KO §§ 207, 208 Anm. 11; Bley/Mohrbutter, VerglO § 108 Rdnr. 8b; Biedenkopf/Koppensteiner in Kölner Komm. z. AktG § 302 Rdnr. 4; Godin/Wilhelmi, AktG § 302 Anm. 6; Werner, Die AG 1967, 122, 124; Peltzer, Die AG 1975, 309, 311) – nicht zu schließen, daß die gesamte Verlustausgleichspflicht für das Geschäftsjahr entfällt, während dessen der Beherrschungs- und Ergebnisübernahmevertrag endet. Nach zutreffender – und auch von der im Vordringen befindlichen Lehre vertretener – Ansicht ist vielmehr an der Verlustübernahmeverpflichtung bis zu dem Zeitpunkt festzuhalten, an dem die Vertragsbeendigung eintritt. Der bis dahin angefallene Verlust ist aufgrund einer Stichtagsbilanz zu ermitteln (dazu unter d; vgl. auch Karsten Schmidt, ZGR aaO S. 522ff; Sonnenschein, Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht 1976 S. 336f; Hengeler/Hoffmann- Becking, Festschrift aaO S. 303f; H. Wilhelm, Die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages 1976 S. 34; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG § 302 Rdnr. 14; Würdinger in GroßKomm. z. AktG § 297 Anm. 9b). Zwar würde ein Wegfall der Verlustausgleichspflicht für das angebrochene Geschäftsjahr die bisherigen Gläubiger nicht rechtlos stellen, weil diese ihr Recht auf Sicherheitsleistung aus § 303 AktG geltend machen könnten. Das allein genügt jedoch nicht. Denn die Verlustausgleichspflicht dient dem Schutz der GmbH und ihrer Gläubiger gegen die Aushöhlung der bilanzmäßigen Substanz und tritt damit im Vertragskonzern an die Stelle der Kapitalerhaltungsvorschriften (vgl. Ulmer, AG 1986, 123, 126). Dieser Schutzzweck sowie der Umstand, daß die Verpflichtung zur Verlustübernahme nur das Gegenstück der bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses bestehenden Leitungsmacht und der mit ihrer Ausübung verbundenen zulässigen Benachteiligung der beherrschten Gesellschaft ist, würden vernachlässigt, wenn die Haftung auf die Verluste abgeschlossener Geschäftsjahre beschränkt würde. Es wäre daher nicht nur unbillig, sondern auch mit dem Dauerschuldcharakter des Vertragsverhältnisses nicht zu vereinbaren, die herrschende Gesellschaft aus der Verlustdeckungspflicht zu entlassen, nur weil das Vertragsverhältnis mehr oder weniger zufällig vor Ablauf des Geschäftsjahres geendet hat. Dem steht auch nicht der Wortlaut des § 302 AktG entgegen. Wenn das Gesetz auf die Bilanz abstellt, so macht es sich ersichtlich nur die ohnehin notwendige Jahresrechnungslegung zunutze, ohne dabei zum Ausdruck bringen zu wollen, daß es sich bei dem auszugleichenden Fehlbetrag stets um einen solchen eines vollen Kalenderjahres oder eines Zeitraums von zwölf Monaten handeln muß. Nichts anderes gilt für die in § 4 des Vertrages getroffene Ausgleichsregelung, und zwar auch deshalb nicht, weil die Vertragsparteien den Fall der vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses bei Vertragsabschluß nicht vor Augen hatten.

d) Der bis zum Beendigungsstichtag angefallene Verlust ist anhand einer Stichtagbilanz der G. GmbH zu ermitteln. In die Bilanz sind als Passivposten alle Verbindlichkeiten aus § 128 HGB aufzunehmen, hinsichtlich derer die G. GmbH als ehemalige Komplementärin damit rechnen muß, daß die Gläubiger der G. KG sie in Anspruch nehmen. Zugleich ist der sich aus § 110 HGB ergebende Aufwendungsersatzanspruch zu aktivieren, soweit angesichts des noch vorhandenen Vermögens der G. KG mit einer Realisierung zu rechnen ist. Die Differenz zwischen den Verbindlichkeiten und dem Aufwendungsersatzanspruch ist als Aufwand in die Verlust- und Gewinnrechnung aufzunehmen, deren Endsaldo dann Auskunft über die Höhe der Verlustausgleichsforderung gibt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich hierbei nicht um einen sogenannten Abwicklungsverlust; denn die GmbH war, als er entstand, noch nicht aufgelöst und der Unternehmensvertrag noch in Kraft. Der auf die unbeschränkte Haftung zurückzuführende Verlust fällt regelmäßig unter die Ausgleichsverpflichtung des Unternehmensvertrages, denn eine Komplementär-GmbH, deren Leitung nicht – wie im vorliegenden Falle – einem anderen Unternehmen unterstellt ist, kann die Geschäfte von vornherein so führen, daß die Kommanditgesellschaft ihre Schulden bezahlt und die Gesellschafter nicht für diese eintreten müssen.

2. Auszugleichen hat den Verlust die Dr. K. KG. Gemäß §§ 128, 161 Abs. 2 HGB i.V.m. § 1967 Abs. 1 BGB haftet für diese Verbindlichkeit der Nachlaß des Komplementärs Dr. K. und damit der Beklagte als Konkursverwalter. Dem steht nicht – wie das Berufungsgericht meint – entgegen, daß die Geschäftsentwicklung im Zeitpunkt des Ausscheidens von Dr. K. aus der Gesellschaft nicht absehbar war. Darauf, ob die Inanspruchnahme des persönlich haftenden Gesellschafters bei seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft vorhersehbar war oder nicht, kommt es im Rahmen von § 128 HGB nicht an. Sondern entscheidend ist einzig und allein, ob die geltend gemachte Verbindlichkeit im Zeitpunkt des Ausscheidens, sei es auch nur dem Grunde nach, bereits begründet war. Diese Voraussetzung ist im gegebenen Fall erfüllt, da sich die Verlustübernahmeverpflichtung aus dem Vertrag ergibt, der geschlossen und vollzogen wurde, bevor Dr. K. am 13. Juli 1974 verstarb.

Das Berufungsurteil konnte daher nicht bestehenbleiben. Damit die zur Höhe des vom Beklagten zu übernehmenden Verlustes notwendigen Feststellungen getroffen werden können, war der Rechtsstreit zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

NJW 1988, 1326

ZIP 1988, 229

DNotZ 1988, 621

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