Ein Vermächtnis ist eine Verfügung von Todes wegen, durch die der Erblasser dem Bedachten, also dem Vermächtnisnehmer, einen Vermögensvorteil zuwendet, ohne ihn als Erben einzusetzen. Vermächtnisse können sowohl in einem Testament als auch in einem Erbvertrag gem. § 1941 BGB angeordnet werden. Der begünstigte Vermächtnisnehmer ist weder Gesamtrechts- noch Einzelrechtsnachfolger des Erblassers[1], sondern erwirbt nach §§ 2147, 2174, 2176 BGB lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf den ihm zugedachten Gegenstand gegen den mit dem Vermächtnis Beschwerten. Gläubiger ist der Vermächtnisnehmer, Schuldner der Beschwerte, meist der Erbe.

 
Hinweis

Vermächtnis ist einkommensteuerneutral

Da der oder die Erben kraft Gesetzes unentgeltlich erwerben, können Vermächtnisse nicht als Entgelt für das geerbte Betriebsvermögen angesehen werden. Ein unentgeltlicher Erwerb vom Erblasser liegt auch vor, wenn der Erbe oder die Erbengemeinschaft mit einem Geldvermächtnis beschwert ist. Entstehung und Tilgung eines Vermächtnisses führen beim beschwerten Erben nicht zu Anschaffungskosten für das im Erbwege erlangte Betriebsvermögen, da die Vermächtnisschuld nicht durch die Absicht, steuerpflichtige Einnahmen zu erzielen, verursacht ist, sondern ihre Veranlassung unmittelbar in dem als Vorgang der Privatsphäre anzusehenden Erbfall findet[2] und es sich folglich um eine Privatschuld handelt.[3] Die Erben müssen die Buchwerte des Erblassers nach § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG fortführen, dem Vermächtnisnehmer entsteht kein "Veräußerungserlös". Das Vermächtnis ist einkommensteuerneutral.

 
Praxis-Tipp

Kind zum Alleinerben bestimmen

Soll die Entstehung von Veräußerungsgewinnen vermieden werden, kann es sich empfehlen, das Kind, das den Betrieb fortführen soll, zum Alleinerben zu bestimmen und mit Geldvermächtnissen zu Gunsten der anderen Kinder zu belasten. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Aufwendungen zur Erfüllung des Geldvermächtnisses beim Alleinerben, der den Betrieb fortführt, nicht zu Anschaffungskosten führen.

 
Praxis-Beispiel

Sohn wird als Erbe eingesetzt

Durch Testament hat V seinen Sohn S als Alleinerben bestimmt. Seiner Tochter T hat V testamentarisch ein Geldvermächtnis von 100.000 EUR zugewendet. Zum Nachlass gehören ein Gewerbebetrieb mit einem Wert von 200.000 EUR (Buchwert: 75.000 EUR) und ein Sparguthaben von 50.000 EUR.

S erwirbt kraft Gesetzes unentgeltlich, sodass er die Buchwerte des V von 75.000 EUR nach § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG fortführen muss. Für T ist der Erwerb des Vermächtnisses ein privater nicht einkommensteuerpflichtiger Vorgang.

Bei der Bestimmung eines Auszahlungszeitpunkts für das Vermächtnis stellt sich die Frage, ob vom Erblasser ein befristetes oder betagtes Vermächtnis angeordnet werden sollte. Ein befristetes Vermächtnis liegt vor, wenn die Entstehung des Vermächtnisanspruchs abweichend von § 2176 BGB erst mit Eintritt des Termins erfolgt.[4] Ist dagegen lediglich die Fälligkeit des Vermächtnisanspruchs hinausgeschoben, liegt ein betagtes Vermächtnis vor.

Der BFH[5] hat entschieden, dass die im Testament verfügte Verzinsung des betagten Vermächtnisanspruchs beim Berechtigten zu Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führt. Zwar handelt es sich aufgrund der testamentarischen Anordnung um eine erzwungene Kapitalüberlassung an den Erben. Legt der Erblasser jedoch zugleich eine Verzinsung des Vermächtnisanspruchs fest, sind die Zinsen bei Zufluss als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerpflichtig. Der BFH hat klargestellt, dass Erträge aus Kapitalforderungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig sind, unabhängig von dem Rechtsgrund der Kapitalüberlassung und unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Kapitalforderung selbst steuerbar ist.

 
Praxis-Tipp

Unverzinsliches betagtes Vermächtnis

Dies gilt nach Auffassung des BFH auch dann, wenn die Vermächtnisforderung unverzinslich ist. Wird die Fälligkeit eines von Todes wegen erworbenen Anspruchs mehr als 1 Jahr ab seiner Entstehung hinausgeschoben, ist der Vermächtnisanspruch auch ohne die gesonderte Anordnung einer Verzinsung in einen Zins- und einen Kapitalanteil aufzuteilen. Der im Gesamtbetrag enthaltene Zinsanteil ist nach § 12 Abs. 3 BewG zu ermitteln.

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