Leitsatz

1. Unterhaltsleistungen an in Deutschland (lediglich) geduldete (= Aussetzung der Abschiebung), nicht unterhaltsberechtigte Angehörige sind weder nach § 33a EStG noch nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

2. Dies gilt auch dann, wenn sich der Steuerpflichtige gemäß § 68 AufenthG gegenüber der Ausländerbehörde/Auslandsvertretung verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt seiner Angehörigen zu tragen.

 

Normenkette

§ 33, § 33a EStG, § 23, § 60a, § 68 AufenthG, § 1601, § 1589 Satz 1 BGB

 

Sachverhalt

Die Kläger sind Eheleute. Nachdem der Kläger im April des Streitjahrs (2014) eine entsprechende Verpflichtungserklärung gemäß § 68 AufenthG unterzeichnete, reisten die Schwester der Klägerin sowie deren Ehemann und Tochter im Streitjahr (zunächst zu Besuchszwecken mit einem sog. Schengen-Visum) aus der Ukraine nach Deutschland ein. Die Kläger stellten der Familie Wohnräume zur Verfügung und übernahmen u.a. die Aufwendungen für Lebensmittel und Versicherungen. Später im Streitjahr erhielten die aufgenommenen Personen den Aufenthaltsstatus "Aussetzung der Abschiebung (= Duldung) gemäß § 60a AufenthG".

In ihrer ESt-Erklärung für das Streitjahr machten die Kläger Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen geltend, die das FA bei der ESt-Festsetzung nicht berücksichtigte.

Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage, mit der die Kläger geltend machten, dass jedenfalls Unterhaltsaufwendungen i.H.v. 5.000 EUR (für Wohnung, Lebensmittel und Versicherungen) steuerlich zu berücksichtigen seien, gab das FG statt. Unterhaltsleistungen, die aufgrund einer Verpflichtung gemäß § 68 AufenthG an Schwester, Schwager und Nichte geleistet worden seien, entstünden aus sittlichen Gründen zwangsläufig und seien nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, falls sich das Land, in das die Unterstützten andernfalls abgeschoben würden, im Kriegszustand befinde. Der Berücksichtigung nach § 33 EStG stehe § 33a Abs. 4 EStG nicht entgegen. Denn danach sei die Anwendung von § 33 EStG nur ausgeschlossen, wenn Aufwendungen für den Unterhalt einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person geltend gemacht würden (FG Köln, Urteil vom 9.4.2019, 15 K 2965/16, Haufe-Index 13913271, EFG 2020, 1133).

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hat der BFH die Vorentscheidung aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich (zivilrechtlich) unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die ESt – unter weiteren Voraussetzungen – dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.354 EUR im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG). Der gesetzlich (zivilrechtlich) unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt ist eine Person, wenn bei ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG).

2. Danach sind die von den Klägern geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen – wie das FG zutreffend entschieden hat – nicht nach § 33a EStG zu berücksichtigen.

a) Die Schwester der Klägerin sowie deren Ehemann und Tochter waren unstreitig keinem der beiden Kläger gegenüber zivilrechtlich unterhaltsberechtigt. Denn dies sind nur Verwandte in gerader Linie (§ 1601, § 1589 Satz 1 BGB). Aus dem Umstand, dass der Kläger eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG abgegeben hat, um der Schwester der Klägerin sowie deren Familie die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, folgt nichts anderes. Einen gesetzlichen (zivilrechtlichen) Unterhaltsanspruch vermag eine solche Verpflichtungserklärung nicht zu begründen. Durch sie werden keine unmittelbaren Ansprüche des Ausländers gegen den Verpflichteten begründet. Der Anspruch nach § 68 AufenthG ist vielmehr als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Ausländerbehörde ausgestaltet.

b) Die Schwester der Klägerin, deren Ehemann und Tochter sind vorliegend auch nicht einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt. Ihnen sind im Streitfall keine zum Unterhalt bestimmten inländischen öffentlichen Mittel mit Rücksicht auf etwaige Unterhaltsleistungen des Klägers gekürzt worden. Denn ein Ausländer ist ungeachtet einer Verpflichtungserklärung berechtigt, öffentliche Leistungen wie insbesondere Sozialleistungen nach den Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes oder des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch oder Zweites Buch in Anspruch zu nehmen, sofern der Verpflichtete nicht oder nicht mehr für seinen Lebensunterhalt aufkommt. Die Gewährung von Sozialleistungen darf seitens der Behörde nicht wegen ihres grundsätzlichen Nachrangs gegenüber anderen Hilfsmöglichkeiten unter Hinweis auf die Verpflichtungserklärung verweigert werden.

Keine Teilhabe an Billigkeitsregelung der Finanzbehörden

Die Unterhaltsleistungen der Kläger...

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