Die umweltorientierte Lebenszykluskostenrechnung entspricht einer um Umweltaspekte erweiterten Form der Lebenszykluskostenrechnung (engl. "Life Cycle Costing"). Bei einer allgemeinen Lebenszykluskostenrechnung dominiert oftmals der Produktbezug, dann spricht man von einer produktbezogenen Lebenszykluskostenrechnung, wobei keinerlei konzeptionelle Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen der Lebenszykluskostenrechnung bestehen. Daher wird im weiteren Verlauf des Beitrags von einer Produktlebenszykluskostenrechnung gesprochen.

Die Produktlebenszykluskostenrechnung ist eine der ältesten Formen der Controllinginstrumente und wurde bereits in den Dreißigerjahren als Grundlage für Investitionsentscheidungen vom obersten Rechnungshof der USA bei der Beschaffung von Traktoren eingesetzt. Neben den Investitionskosten werden auch die Wartungs- und Betriebskosten berücksichtigt, was im Vergleich zur reinen Anschaffungskostenbetrachtung einen realistischeren Blick auf die zu erwartenden Gesamtkosten zulässt. Die Anschaffungskosten werden von den Betriebs- und Folgekosten oftmals um ein Vielfaches überstiegen. Die Systemgrenzen der Produktlebenszykluskostenrechnung umfassen den gesamten Lebenszyklus des Produktes von der Wiege bis zur Bahre und beinhalten somit die Kosten ab der Entwicklung, über die Herstellung und der laufenden Unterhaltung bis zur Entsorgung des betrachteten Produktes.

Die Produktlebenszykluskostenrechnung ist keine eigenständige Methode, sondern ein Sammelsurium mehrerer Methoden, die überwiegend aus der Investitionsrechnung entstammen, wie z. B. Methoden der Systembewertung, Verfahren der Kostenprognose sowie Methoden zur Berücksichtigung des Risikos, der Inflation und der Diskontierung.

Das Hauptziel der Produktlebenszykluskostenrechnung ist, die Gesamtkosten eines Produktes, die über den Lebenszyklus entstehen, zu minimieren und neuen Produkten bereits im Entwicklungsstadium einer Wirtschaftlichkeitsanalyse zu unterziehen, um eine bestmögliche Vergleichsbasis alternativer Produkte zu schaffen. Dabei ist es ratsam, sowohl Erlösbetrachtungen als auch Entsorgungszyklen für eine bessere und möglichst realitätsnahe Vergleichbarkeit von Alternativen zu integrieren. Das Hauptziel der Produktlebenszykluskostenrechnung kann in vier Unterziele spezifiziert werden:

1. Abbildungsziel

Ziel ist die Ermittlung und Abbildung der Gesamtkosten und -erlöse eines Produktes über alle Phasen des Lebenszyklus. Diese Informationen dienen der Entscheidungsfindung zur Optimierung des Produktes.

2. Erklärungsziel

Es sollen Zusammenhänge bei der Entstehung von Kosten und Erlösen sowie nicht-monetäre Konsequenzen erkannt und erklärt werden. Dabei sind die Elemente zu kategorisieren und den Lebenszyklusphasen zuzuordnen.

3. Prognoseziel

Die Prognose umfasst detaillierte Aussagen über Kosten, Erlöse und nicht-monetäre Folgewirkungen von Entscheidungsalternativen.

4. Gestaltungsziel

Auf Basis der strukturierten und prognostizierten Daten soll das Produkt hinsichtlich Kosten, Erlösen und Umweltwirkungen über den gesamten Lebenszyklus zielführend geplant werden. Insbesondere Trade-offs (Austauschbeziehungen i. S. einer gegenläufigen Abhängigkeit) zwischen Anfangs- und Folgekosten sind zu berücksichtigen.

Das ursprüngliche Modell der Produktlebenszykluskostenrechnung beschreibt das Produktleben als Marktzyklus mit den dazugehörigen Phasen Einführung, Wachstum, Reife und Degeneration. Dieser Zyklus entspricht der Zeitspanne von der Produktmarkteinführung bis zum Marktaustritt, spiegelt aber nicht den tatsächlichen Lebenszyklus wider, der schon bei der ersten Produktidee im Rahmen der Forschungsarbeiten beginnt und erst nach der Entsorgung endet. Die Ökonomen Pfeiffer und Bischof entwickelten daraufhin das ganzheitliche Modell des integrierten Produktlebenszyklus, der mit einer Vorleistungsphase beginnt, anschließend die klassische Marktphase berücksichtigt und mit einer Nachleistungsphase den Zyklus abschließt ― die Vorleistungsphase wird auch als Entstehungszyklus und die Nachleistungsphase als Nachsorgezyklus bezeichnet. Diese Erweiterung war bei rückblickender Betrachtung sehr wichtig, da immer kürzer werdende Produktlebenszyklen, komplexere und aufwendigere Produkte sowie die höheren Anforderungen an den Entsorgungssektor die Kosten, die außerhalb der Marktphase auftreten, zum größten Teil der Gesamtkosten werden ließen. Abb. 1 illustriert den integrierten Produktlebenszyklus.

Abb. 1: Integrierter Produktlebenszyklus

Aus Branchensicht hat die Produktlebenszyklusbetrachtung primär einen hohen Stellenwert, wenn die angebotenen Produkte und Leistungen sowohl eine lange zu erwartende Marktpräsenz aufweisen, als auch eine lange Entwicklungszeit verlangen. Dies trifft beispielsweise auf Life Science, Biotech, Aviation, Automotive und Maschinenbau zu.

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