Leitsatz

"Schönheitsoperationen" sind nur dann umsatzsteuerbefreit, wenn sie vordergründig dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen.

 

Sachverhalt

Der Kläger war in den Streitjahren 1999 bis 2002 Chefarzt der Abteilung für plastische Chirurgie und Handchirurgie des A-Krankenhauses in B. Er hatte langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der plastischen, rekonstruktiven und kosmetischen Chirurgie sowie der Handchirurgie, so dass er über einen internationalen Patientenstamm verfügte. Gegenüber dem Finanzamt vertrat der Kläger die Auffassung, dass sog. Schönheitsoperationen umsatzsteuerfrei seien, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund stehe. Daher habe er auch Operationen abgelehnt, wenn sie aus seiner Sicht ohne ein solches Ziel angestrebt worden seien. Ein Indiz könne die regelmäßige Übernahme der Kosten durch die Krankenversicherung sein. Außerdem gab er zu bedenken, dass in der Vergangenheit eine medizinische Indikation nicht dokumentiert werden musste. Eine Nachbearbeitung der Patientenunterlagen und Darlegung der Indikationsgründe würde an die Grenze des zu Leistenden stoßen und zudem die ärztliche Schweigepflicht tangieren. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass ästhetische-plastische Leistungen eines Chirurgen ("Schönheitsoperationen") nicht nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei sind, wenn nicht nach den Umständen des Einzelfalls eine medizinische Indikation vorliegt.

 

Entscheidung

Nach Ansicht des Finanzgerichtes hat das Finanzamt solche Leistungen des Klägers zu Recht als umsatzsteuerpflichtig behandelt, deren medizinische Indikation nicht hinreichend vom Kläger nachgewiesen worden ist. § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG setzt bei richtlinienkonformer Auslegung nach der ständigen Rechtsprechung des BFH und des EuGH voraus, dass der Kläger eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er dafür die erforderliche Qualifikation besitzt. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin umfassen danach nur Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden. Für die Umsatzsteuerfreiheit reicht es nicht aus, dass die Operation nur von einem Arzt ausgeführt werden kann, sie muss vielmehr dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen. Dabei kommt es entscheidend auf die Zweckrichtung an. Dient eine Maßnahme vorwiegend anderen Zwecken als der Behandlung oder Vorbeugung einer Krankheit bzw. Gesundheitsstörung, ist die Steuerbefreiung insgesamt zu versagen. Bestehen Zweifel an der medizinischen Indikation einer Leistung, trifft den Steuerpflichtigen eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Stützt dieser seine fehlende Mitwirkung auf die gem. § 203 Strafgesetzbuch strafbewerte ärztliche Schweigepflicht, kann dies nicht dazu führen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung als erwiesen gelten.

 

Hinweis

Der Kläger sah sich offenbar nicht in der Lage, die zwischenzeitlich vom Finanzamt im Rahmen einer Steuerfahndungsmaßnahme beschlagnahmten Patientenunterlagen nachträglich dahingehend zu bearbeiten, dass in bestimmten Fällen die medizinische Indikation deutlich würde. Da er sich auf eine Steuerbefreiungsvorschrift berufen hat, forderte das Finanzgericht eine erhöhte Mitwirkungspflicht von ihm, der er offenbar nicht nachkam. Dies wurde (natürlich) zu seinen Lasten berücksichtigt.

Mit Urteil v. 21.3.2013, C-91/12 hat der EuGH in einem schwedischen Vorabentscheidungsersuchen entschieden, dass Dienstleistungen wie ästhetische Operationen nur dann unter den Begriff ärztliche Heilbehandlungen oder Heilbehandlungen im Bereich Humanmedizin i. S. v. Artikel 132 Abs. 1 Buchst. b bzw. c MwStSystRL fallen, wenn diese Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrecht zu erhalten oder wieder herzustellen. Bei der vorzunehmenden Abgrenzung komme der rein subjektiven Vorstellung, die die Person, die sich einem ästhetischen Eingriff unterziehe, von diesem Eingriff habe, für die Beurteilung, ob der Eingriff einem therapeutischen Zweck diene, keine Bedeutung zu. Da es hierbei um die Beurteilung einer medizinischen Frage gehe, müsse sie auf medizinischen Feststellungen beruhen, die von dem entsprechenden Fachpersonal getroffen worden seien. Daraus folgt für die Praxis: Ohne medizinisch-therapeutische Veranlassung kann grundsätzlich keine Steuerfreiheit für ästhetische Operationen gewährt werden. Es ist allerdings auch nicht bereits dann zwingend von einer Steuerpflicht auszugehen, wenn bzw. weil die Krankenversicherung nicht zur Übernahme der Kosten verpflichtet ist (vgl. OFD Frankfurt v. 1.8.2013, S 7170 A-69-St 16).

Hinweis: Nach Ansicht des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz sind ästhetisch plastische Operationen nur dann steuerbefreit, wenn die medizinische Indikation - durch Einzelgutachten mit Einverständnis des Patienten - nachgewiesen wi...

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