OFD Magdeburg, 20.2.2012, S 7420 b - 7 - St 24

Während einer Umsatzsteuer-Nachschau i.S. des § 27b UStG gefertigte Fotografien führen zu einem Eingriff in die Grundrechte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Etwas anderes gilt, wenn diese Fotos mit Einwilligung des Betroffenen gefertigt werden bzw. der Prüfer das Grundstück des Betroffenen dabei nicht betritt.

Wegen dieser Grundrechtsbeeinträchtigung kann die Berechtigung zum Fotografieren nur so weit wie die Berechtigung zum Betreten der Räume reichen, um diese zu besichtigen.

 

1. Umfang des Besichtigungs- und Betretungsrechtes im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau

Im Rahmen einer Nachschau ermöglicht § 27b UStG das Betreten und Besichtigen von Geschäfts- und Betriebsräumen sowie gemischt genutzten Räumen zu den üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten. Individuell (abweichende) Geschäfts- und Arbeitszeiten des Betroffenen sind zu respektieren, so lange dies nicht zu einer unverhältnismäßigen oder unzumutbaren Beeinträchtigung der finanzbehördlichen Ermittlungstätigkeit führt. Im Gegensatz dazu dürfen private Wohnräume gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten werden (§ 27b Abs. 1 Satz 2 UStG).

Grundsätzlich ist im Einzelfall zu differenzieren, ob ein konkreter Einzelsachverhalt aufgeklärt werden soll (dann §§ 98 ff. AO) oder ob allgemein und ohne konkrete Zielsetzung der Zustand des Unternehmens angeschaut werden soll (dann § 27b UStG).

Unternehmerisch oder teilweise unternehmerisch genutzte Räume dürfen zu den üblichen Geschäfts- oder Betriebszeiten betreten und damit auch fotografiert werden, soweit sie auch von den Geschäftskunden des Betriebsinhabers betreten werden können. Darüber hinaus ist der Prüfer berechtigt, solche Räume zu betreten und zu fotografieren, die zwar auch betrieblich genutzt, aber nicht dem allgemeinen Publikums- oder Geschäftsverkehr offen stehen. Nicht umfasst sind aber solche Räume, die ausschließlich dem privaten, nicht betrieblichen Bereich zuzuordnen sind. Häusliche (also innerhalb der Wohnung belegende) Arbeitszimmer oder Büros dürfen auch dann betreten bzw. besichtigt werden, wenn sie nur durch die ausschließlich privat genutzten Wohnräume erreichbar sind.

Gar nicht fotografiert werden darf der im Rahmen der Nachschau angetroffene (vermeintliche) Unternehmer, selbst wenn deren äußeres Erscheinungsbild gegen eine Unternehmereigenschaft spricht. § 27b UStG ermöglicht nur das Betreten und Besichtigen von Räumlichkeiten, aber keine Feststellungen von persönlichen Merkmalen des Inhabers dieser Räumlichkeiten.

 

2. Beweissicherungs- bzw. Dokumentationsinteressen

Allein die bloße Behauptung oder persönliche Meinung, zu Beweis- oder Dokumentationszwecken zu fotografieren, genügt nicht, um den damit verbundenen Grundrechtseingriff zu rechtfertigen. Der Fotografierende muss sich zumindest in einer gewissen Beweisnot befinden, weil ihm andere Mittel nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Darüber hinaus müssen die gefertigten Lichtbilder bei objektiver Betrachtung jedenfalls einen gewissen Beweiswert besitzen.

Darüber hinaus hat er den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. die Beschränkung durch das Übermaßverbot zu beachten. Die durch das Foto dokumentierte Information muss für den konkret zu prüfenden Steuertatbestand relevant sein, geringer belastende Maßnahmen dürfen – bei gleicher Eignung – nicht zur Verfügung stehen und die damit verbundene Beeinträchtigung muss dem Betroffenen zumutbar sein.

 

3. Mögliche Verletzung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen

Will der Bedienstete der Finanzbehörde die Ergebnisse seiner Nachschau durch Fotografien dokumentieren, ist er häufig dem Einwand ausgesetzt, dass er dadurch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verletzen könnte.

Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau geht es regelmäßig um die Dokumentation, dass in den Räumen des vermeintlichen Unternehmenssitzes tatsächlich keine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt wird bzw. werden kann. Insoweit ist die Verletzung von Betriebsgeheimnissen kaum denkbar, weil es in solchen leeren Räumen regelmäßig keine Geheimnisse zu verletzen geben dürfte.

§ 27b UStG berechtigt nicht zur Durchsuchung des Betriebes oder der Geschäftsräume, also das ziel- und zweckgerichtete Suchen nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber des Betriebes von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will. Vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung von Betriebsgeheimnissen in einer Vielzahl von Fällen nur theoretisch denkbar. Fotografiert werden dürfen nur solche Gegenstände, die offen herumstehen oder herumliegen, was gerade bei solchen Gegenständen nicht der Fall ist, die der Betriebsinhaber für geheim und deswegen in Behältnissen verschlossen halten würde.

Dadurch allein ist aber nicht jegliche Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ausgeschlossen. Diese Frage stellt ...

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