3.1 Zuordnung von Vorsteuerbeträgen zu Insolvenzforderungen und Masseforderungen

Der Insolvenzschuldner verliert durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht seine Unternehmereigenschaft. Somit behält er auch die grundsätzliche Berechtigung zum Vorsteuerabzug unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG.[1] Abziehbare Vorsteuerbeträge können entweder die Insolvenzforderungen oder die Masseforderungen mindern. Es kommt darauf an, in welchem Voranmeldungszeitraum die Vorsteuerbeträge geltend zu machen sind. Die Vorsteuerbeträge sind nach der BFH-Rechtsprechung[2] ausschließlich in dem Besteuerungszeitraum (Voranmeldungszeitraum) zu erfassen, in dem die Voraussetzungen des § 15 UStG insgesamt vorliegen. Da das Recht auf Vorsteuerabzug materiell-rechtlich bereits entsteht, wenn die betreffenden Gegenstände geliefert werden oder die Dienstleistung erbracht wird, kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung des Erstattungsanspruchs auf den Besitz der Rechnung nicht an. Dies gilt auch dann, wenn der Anspruch auf Vorsteuerabzug auf einem Verzicht auf Steuerfreiheit (Option zur Steuerpflicht nach § 9 UStG) beruht.[3]

Für den Voranmeldungszeitraum der Eröffnung des Insolvenzverfahrens richtet sich die Zuordnung der Vorsteuern zu den Insolvenzforderungen bzw. Masseforderungen danach, in welchem Zeitpunkt eine sonstige Leistung in Anspruch genommen bzw. eine Ware bezogen wurde. Wenn die Rechnung mit dem gesonderten Steuerausweis im gleichen Voranmeldungszeitraum eingegangen ist, kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Rechnungseingangs, sondern allein auf den Zeitpunkt des Waren- bzw. Dienstleistungsbezugs an.[4]

 
Praxis-Beispiel

Zuordnung der Vorsteuerbeträge aus Eingangsrechnungen

Über das Vermögen eines Unternehmers, der monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen abzugeben hat (Monatszahler) wird am 10.8. das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Vorsteuer für einen Wareneinkauf am 8.8. mindert die Insolvenzforderungen, wenn die entsprechende Rechnung noch im August eingegangen ist. Ist dagegen die Rechnung erst im September desselben Jahres eingegangen, kann die entsprechende Vorsteuer die Insolvenzforderungen nicht mindern.

 
Hinweis

"Starker" vorläufiger Insolvenzverwalter

Wenn das Gericht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter i. S. d. § 22 Abs. 1 InsO bestellt, gelten diese Grundsätze entsprechend.

3.2 Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Insolvenzverwalters

Der Insolvenzverwalter erbringt seine Leistung (Ausübung der Verwaltungstätigkeit) ebenso wie der vorläufige Insolvenzverwalter an den Insolvenzschuldner. Somit ist der Insolvenzschuldner Leistungsempfänger dieser Leistungen[1] und dementsprechend unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Vergütung des Insolvenzverwalters und seine Auslagen werden vom Insolvenzgericht festgesetzt. Die festgesetzten Beträge sind Kosten des Insolvenzverfahrens, die von den sonstigen Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 1 InsO zu unterscheiden sind. Sie sollen die allgemeinen Geschäftskosten des Insolvenzverwalters wie z. B. Büroaufwand und Angestelltengehälter abgelten.

 
Hinweis

Ordnungsgemäße Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis erforderlich

Der Insolvenzverwalter muss dem Insolvenzschuldner eine ordnungsgemäße Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erteilen, damit er für die Insolvenzmasse den Vorsteuerabzug daraus in Anspruch nehmen kann. Das Gleiche gilt für den vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Beschluss des Insolvenzgerichts über die Festsetzung der Vergütung ist für den Vorsteuerabzug nicht ausreichend.[2] Bei der Leistung des Insolvenzverwalters an den Insolvenzschuldner handelt es sich um eine einheitliche Leistung, die erst mit dem Beschluss des Insolvenzgerichts über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens ausgeführt ist, soweit keine anderen Beendigungsgründe vorliegen. Bei zeitlich vor Beendigung des Insolvenzverfahrens erteilten Rechnungen ist der Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG nur zulässig, wenn diese Rechnungen bezahlt worden sind.[3]

3.3 Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des vorläufigen Insolvenzverwalters und des vorläufigen Sachwalters

Die Leistungen sowohl eines "starken" vorläufigen Insolvenzverwalters als auch eines "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters werden zwar auch an den Insolvenzschuldner erbracht, aber zeitlich vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführt, auch wenn durch die Handlungen des "starken" vorläufigen Insolvenzverwalters Masseverbindlichkeiten und durch die Handlungen des "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters im Rahmen seiner Befugnisse sowie des vorläufigen Sachwalters im Eigenverwaltungsverfahren fiktive Masseve...

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