1.1 Unternehmereigenschaft des Insolvenzschuldners

Ein Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird (Insolvenzschuldner), verliert seine Unternehmereigenschaft i. S. d. § 2 UStG nicht. Er unterliegt lediglich den Verfügungsbeschränkungen nach § 80 Abs. 1 InsO. Somit wird die Insolvenzmasse nicht zum selbständig zu besteuernden Steuersubjekt.[1] Dem Unternehmen des Insolvenzschuldners sind daher auch die Umsätze zuzurechnen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entweder der Insolvenzverwalter, der Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren oder der Insolvenzschuldner selbst tätigt. Auch eventuelle Umsätze des vom Insolvenzgericht bestellten vorläufigen Insolvenzverwalters[2] werden umsatzsteuerlich dem Unternehmen des Insolvenzschuldners zugerechnet. Obwohl die Umsätze vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sämtlich dem Unternehmen des Insolvenzschuldners zuzurechnen sind, erteilt das Finanzamt in Insolvenzfällen eine weitere Steuernummer, die sog. Insolvenz-Steuernummer. Unter der bisherigen alten Steuernummer wird die Umsatzsteuer erfasst, die als Insolvenzforderung nach § 38 InsO zur Tabelle anzumelden ist. Dagegen werden unter der zusätzlichen neuen sog. "Insolvenz-Steuernummer" die Umsatzsteuerbeträge erfasst, die als Masseforderungen nach § 55 InsO zu behandeln und vom Finanzamt durch Steuerbescheid geltend zu machen sind.

 
Hinweis

Erteilung der Insolvenz-Steuernummer aus rein praktischen Gründen

Der Erteilung der zweiten "Insolvenz-Steuernummer" liegen keine rechtlichen Erwägungen zugrunde. Sie ist, weil Insolvenzforderungen einerseits und Masseforderungen andererseits unterschiedlich geltend zu machen sind, rein praktisch bedingt.

1.2 Insolvenzfreies Vermögen

Neben den Umsätzen mit der Insolvenzmasse, für die der Insolvenzverwalter verantwortlich ist, kommen noch Umsätze in Betracht, die der Insolvenzschuldner selbst in eigener Regie ausführen darf. Nach § 36 Abs. 1 InsO gehören nämlich Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (die sog. unpfändbaren Gegenstände), nicht zur Insolvenzmasse. Soweit der Insolvenzschuldner einen derartigen, dem unternehmerischen Bereich zugeordneten Gegenstand veräußert, handelt es sich um einen Umsatz, für den der Insolvenzverwalter nicht zuständig ist. Die durch die Veräußerung von insolvenzfreiem Unternehmensvermögen ausgelöste Umsatzsteuer ist weder eine Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO noch eine Masseforderung i. S. d. § 55 InsO. Das Finanzamt kann eine derartige Umsatzsteuer nur gegen den Insolvenzschuldner festsetzen.

1.3 Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile

Für die Berechnung der Umsatzsteuer bilden alle Tätigkeitsbereiche ein Unternehmen. Dies gilt sowohl für die vom Insolvenzverwalter ausgeführten Umsätze als auch für die Umsätze des Insolvenzschuldners mit insolvenzfreiem Vermögen. Die haftungsrechtliche Trennung führt nicht zu einer Aufspaltung des Unternehmens des Insolvenzschuldners.[1]

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt es jedoch zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Dabei handelt es sich um

  • einen vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil, der die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Umsatzsteueransprüche des Fiskus erfasst (Insolvenzforderungen),
  • die Insolvenzmasse, die insbesondere die durch Vermögensverwaltung und -verwertung begründeten Umsatzsteueransprüche (Masseforderungen) des Fiskus betrifft,
  • das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen, das die Umsatzsteueransprüche des Fiskus aufgrund der mit freigegebenem Vermögen betriebenen Umsatztätigkeit des Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens betrifft.[2]

1.4 Wegfall einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG entsteht eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft, wenn ein Unternehmen (Organgesellschaft) in ein anderes Unternehmen (Organträger) finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert ist. Bislang führte nach der älteren BFH-Rechtsprechung und der Verwaltungsauffassung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein über das Vermögen des Organträgers nicht zwingend zur Beendigung der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft. Auch wenn der Organträger von einem Insolvenzverwalter geführt werde, bleibe die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der Organgesellschaft grundsätzlich unberührt.[1]

Dies sieht der BFH jedoch inzwischen anders. Nach der geänderten BFH-Rechtsprechung endet die Organschaft spätestens mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen entweder der Organgesellschaft oder des Organträgers. Danach kann bei einer Insolvenz der Organgesellschaft der Organträger nicht mehr als Steuereinnehm...

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