Sowohl der EuGH als auch der BFH haben in diversen Verfahren das Umsatzsteuerrecht fortentwickelt. Insbesondere sind hier die folgenden Entscheidungen zu nennen:

  • Organschaft: Zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft war die Grundsatzfrage anhängig, ob der Organträger oder der gesamte Organkreis Unternehmer i. S. d. UStG ist. Hier hatten sowohl der V. Senat[1] des BFH als auch der XI. Senat[2] den EuGH angerufen. Die Frage, ob im Falle der Organschaft der Organträger der Unternehmer und damit der Träger aller umsatzsteuerrechtlichen Rechte und Pflichten ist (so die bisherige Rechtsauffassung in Deutschland) oder ob der Organkreis (die Mehrwertsteuergruppe im unionsrechtlichen Sinne) als Unternehmer anzusehen ist, war insbesondere für die ordnungsgemäße Adressierung der Steuerbescheide von Bedeutung. Der EuGH hat in seinen beiden Entscheidungen[3] festgestellt, dass es nach Auslegung des Unionsrechts nicht zu beanstanden ist, wenn der Organträger als der einzige Steuerpflichtige (Unternehmer im deutschen Sprachgebrauch) bestimmt wird. Damit dürfte insoweit die nationale Praxis, dass der Organträger als der Träger der unternehmerischen Rechte und Pflichten angesehen wird, nicht gegen die unionsrechtlichen Vorgaben verstoßen. Dies wird von dem EuGH auch damit begründet, dass sich in diesem Fall keine andere Gesamtsteuerbelastung ergeben würde, als wenn der gesamte Organkreis als der (fiktive) Unternehmer angesehen werden würde. Auch sei kein Risiko des Steuermissbrauchs oder des Betrugs vorhanden, da die Finanzverwaltung sich über die Haftungsregelung des § 73 AO im Zweifelsfall auch an die Organgesellschaften halten kann. In 2 Punkten kommt der EuGH aber zu Ergebnissen, die mit der bisherigen nationalen Praxis nicht in Einklang stehen. Zum einen kann die finanzielle Eingliederung, die notwendige Voraussetzung für die Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG ist, neben der Anteilsmehrheit nicht auch davon abhängig gemacht werden, dass auch eine Stimmrechtsmehrheit bei der Organgesellschaft vorliegt. Damit wird bei der Frage der finanziellen Eingliederung nur festzustellen sein, ob eine Mehrheitsbeteiligung vorliegt oder nicht – die Stimmrechtsmehrheit ist insoweit nicht entscheidend. Die zweite Frage wird für die Leistungen innerhalb eines Organkreises von erheblicher Bedeutung sein: Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass es nach Unionsrecht den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, Organgesellschaften im Wege der Typisierung als nicht selbstständig anzusehen. Damit ist die bisherige nationale Rechtsfolge der Organschaft, dass Umsätze innerhalb des Organkreises als sog. Innenumsätze aufgrund nicht vorliegender Selbstständigkeit der Organgesellschaften nicht steuerbar sind, wohl nicht haltbar.

     
    Hinweis

    Nicht steuerbare Innenumsätze wohl nicht mehr möglich

    Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH werden sich insbesondere Änderungen bei der Abwicklung von Leistungen innerhalb des Organkreises ergeben. Nicht steuerbare Leistungen als Innenumsätze werden danach kaum mehr begründbar sein, da der EuGH in der Entscheidung "S" die Umsätze zwischen Organgesellschaft und Organträger als entgeltliche Dienstleistungen beurteilt hat.

  • Feste Einrichtung: Der EuGH[4] hat grds. festgestellt, dass das Vorliegen einer "festen Niederlassung" (in Deutschland: Betriebsstätte) nicht allein aus dem bloßen Umstand hergeleitet werden kann, dass dort eine Tochtergesellschaft unterhalten wird. Der für eine feste Niederlassung notwendige Bestand an Sachmitteln und Personal kann aber dann über eine Tochtergesellschaft hergestellt werden, wenn die Mutter über diese Mittel wie über eigene verfügen kann. Dies ist sowohl für die Bestimmung des Orts von Leistungen als auch für die zutreffende Festlegung des Steuerschuldners von Bedeutung.
  • Keine Organschaft bei Schwestergesellschaften: Der BFH[5] bleibt bei seiner Rechtsauffassung, dass nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG im Verhältnis zwischen zwei Schwestergesellschaften nicht bestimmt werden kann, welche Schwestergesellschaft Organträger und welche Organgesellschaft ist, sodass ohne Einbeziehung des gemeinsamen Gesellschafters keine Organschaft zwischen den beiden Schwestergesellschaften besteht.
  • Teilnahme an Online-Spielen: Der BFH[6] hat zu der Frage der Teilnahme von Unternehmern an Online-Spielen (Strategiespielen) festgestellt, dass die spielinternen "Umsätze" in der virtuellen Welt nicht steuerbar sind. Der Umtausch von Spielwährung ("Token") in Echtgeld stellt aber (soweit im Inland ausgeführt) eine steuerbare Leistung – Übertragung von Rechten – dar.
  • Dienstwagenüberlassung als entgeltlicher Umsatz: Das FG des Saarlandes[7] hatte den EuGH angerufen, um klären zu lassen, ob es sich bei der Überlassung eines Fahrzeugs an das Personal um eine entgeltliche Leistung (tauschähnlicher Umsatz) oder um eine unentgeltliche Wertabgabe handelt. Der EuGH[8] hatte zu der ihm vorgelegten Frage eine allgemeine Feststellung zu entgeltlichen Leistungsaustauschprozessen getroffen. Allein die ertragsteuerrechtliche Qualifizi...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge