Rz. 40

Handelsrechtlich bilden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gem. § 255 Abs. 1, 2 HGB die Obergrenze für die Bewertung des Umlaufvermögens.[1] Davon ausgehend und dem strengen Niederstwertprinzip folgend, schreibt § 253 Abs. 4 HGB für die Handelsbilanz vor, dass

  • der aus dem Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag abgeleitete Wert[2] oder, soweit dieser nicht festzustellen ist,
  • der am Bilanzstichtag beizulegende Wert[3] anzusetzen ist,

wenn dieser Wert unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegt.

Der Ansatz des niedrigsten dieser Werte ist zwingend.

 
Praxis-Beispiel

Die Auswirkungen des russischen Kriegs in der Ukraine können als Beispiel für die Bewertung des Umlaufvermögens herangezogen werden.[4]

Bei der Ermittlung der Herstellungskosten dürfen gemäß § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB nur angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten sowie des Werteverzehrs des Anlagevermögens berücksichtigt werden, soweit diese durch die Fertigung veranlasst sind. Aufgrund der Kriegsauswirkungen kann es durch vorübergehende Stilllegungen oder Nutzungseinschränkungen zu einer erheblichen Auslastungsbeschränkung von Anlagen kommen. Gleiches gilt, wenn Herstellungsvorgänge, z. B. durch die Unterbrechung von Lieferketten, ihrerseits unterbrochen werden müssen. Die auf diese Zeiträume entfallenden Gemeinkosten stellen nicht angemessene und nicht aufgrund der Fertigung veranlasste Kosten dar. Sie dürfen als sog. „Leerkosten“ nicht in die Herstellungskosten der Vorräte einbezogen werden (vgl. auch IDW RS HFA 31 n. F.), sondern stellen Aufwand der Periode dar, in der sie anfallen.

Abschreibungen auf das Vorratsvermögen sind nach § 253 Abs. 4 HGB vorzunehmen. Wird der am Abschlussstichtag geltende beizulegende Wert mangels eines am Abschlussstichtag festzustellenden Börsen- oder Marktpreises für einen grundsätzlich absatzmarktorientiert zu bewertenden Vermögensgegenstand des Vorratsvermögens (d. h. unfertige und fertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen und Waren) zum Zwecke der verlustfreien Bewertung retrograd ermittelt, ist dem (voraussichtlich) zu erzielenden Veräußerungserlös (abzgl. etwaiger Erlösschmälerungen) die Summe aus letztem Buchwert des Vermögensgegenstands (= "fortgeführte Anschaffungs- oder Herstellungskosten") und den nach dem Abschlussstichtag bis zur Veräußerung voraussichtlich noch anfallenden (anteiligen) Kosten (im Falle fertiger Erzeugnisse und Waren: Verpackungskosten und Ausgangsfrachten, allgemeine Vertriebskosten, Verwaltungskosten, Fremdkapitalkosten für Lagerung bis zur Veräußerung; im Falle unfertiger Erzeugnisse oder Leistungen: zusätzlich die noch bis zur Fertigstellung anfallenden Herstellungskosten auf Vollkostenbasis) gegenüberzustellen. Soweit der (um etwaige Erlösschmälerungen geminderte) Veräußerungserlös hinter dieser Summe zurückbleibt, ist der bisherige Buchwert in Höhe des Differenzbetrags außerplanmäßig abzuschreiben, um den bei Veräußerung andernfalls entstehenden Verlust zu antizipieren. Wenn die Gründe für eine vormalige außerplanmäßige Abschreibung entfallen, ist gemäß § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB eine Wertaufholung geboten. Die Werterholung muss nicht notwendigerweise dadurch bedingt sein, dass exakt diejenigen („nämlichen“) Gründe entfallen sind, die Ursache der vormaligen außerplanmäßigen Abschreibung waren, um das Zuschreibungsgebot auszulösen.

 

Rz. 41

Darüber hinaus bestehen im Handelsrecht nach dem BilMoG keine Wahlrechte mehr, einen anderen Wert anzusetzen – die bis zum 31.12.2009 geltenden Wahlrechte für weitere Abschreibungen wurden gestrichen.

Aufgrund der Übergangsvorschriften in Art. 67 Abs. 4 Satz 1 EGHGB durften die niedrigeren Wertansätze zwar weiterhin beibehalten werden, doch dürfte aufgrund der tendenziell kürzeren Verweildauer im Unternehmen ein Auslaufen der Verzerrungen im Umlaufvermögen bereits lange erfolgt sein.

 

Rz. 42

Alle Unternehmen sind spätestens seit dem Geschäftsjahr 2010 dazu verpflichtet, beim Wegfall der Gründe für eine Abschreibung die Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens wieder mit einem höheren Wert, maximal den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, anzusetzen.[5]

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