Wenn hinreichend bestimmte Anhaltspunkte für unangemessenes oder regelwidriges Verhalten von Mitarbeitern, Führungskräften oder Geschäftspartnern vorliegen (strafrechtlich: der sogenannte Anfangsverdacht für die Aufnahme von Ermittlungen), kann die Einleitung von verdachtsfallbezogenen Untersuchungen unvermeidbar sein, sei es zur Wahrnehmung der eigenen Sorgfaltsplicht oder sei es, um möglichst schnell über ausreichende Informationen verfügen zu können, die für ein zielgerichtetes Krisen- und Sanktionsmanagement notwendig sind.

Allerdings haben verdachtsfallbezogene Untersuchungen ihren Preis: Sie sorgen in der Regel für unternehmensinterne Aufregung, setzen Mitarbeiter ins Zwielicht und sind geeignet, den Betriebsfrieden zu stören oder Vertrauen bei betroffenen Mitarbeitern zu verspielen. Das gilt insbesondere dann, wenn schlussendlich ein Fehlverhalten, das Maßnahmen gegen die verdächtigten Mitarbeiter rechtfertigt, nicht nachgewiesen werden kann. Ferner kann schon allein der Hinweis auf die Durchführung einer Verdachtsuntersuchung für eine negative Öffentlichkeitswirkung in den Medien sorgen.

Vor der Einleitung verdachtsfallbezogener Untersuchungen gegen einzelne Mitarbeiter sollte daher zunächst geprüft werden, ob andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Das können anlassbezogene Untersuchungen von Prozessen zur Wahrnehmung von Verbesserungsmöglichkeiten oder der Aufdeckung von verfahrens-/verhaltensbedingten Schwachstellen ebenso sein wie Analysen zur Ermittlung typischer Prozess- und/oder Verhaltensrisiken.

Dabei sollte man stets im Auge behalten, dass sich im Laufe solcher Untersuchungen jederzeit eine Situation herausstellen kann, die die Einleitung von Verdachtsuntersuchungen gegen beteiligte Mitarbeiter und Führungskräfte erforderlich macht. Daher kann es ratsam sein, solche Untersuchungen nicht allein den Fachverantwortlichen zu überlassen, sondern von vornherein im Unternehmen zu eskalieren und neutrale Stellen einzuschalten, damit später nicht der Vorwurf erhoben werden kann, "man habe den Bock zum Gärtner gemacht".

Ein wichtiges Kriterium für die weitere Vorfallbehandlung in der Orientierungsphase ist ferner, ob

  1. ein Angriff von außen vorliegt (z. B. Hackerangriffe, Betrugsmanöver, Materialdiebstahl, Missbrauch der Logistikkette für Schmuggel),
  2. mit einem Zusammenwirken externer und interner Täter zu rechnen ist bzw.
  3. externe Täter sich interne Schwachstellen zu Nutzen gemacht haben (z. B. Identifizierung erpressbarer oder suchtkranker Mitarbeiter, Anfüttern zur Bestechlichkeit als Vorstufe für schwerere Delikte).

Unabhängig hiervon ist bei bußgeldbedrohten oder strafbaren Handlungen immer zu prüfen, ob sich die Einschaltung staatlicher Ermittlungsbehörden nicht schon allein wegen der Schwere der Straftaten empfiehlt, um die es möglicherweise geht. Diese Beurteilung ist unabhängig davon, ob eine rechtliche Verpflichtung zur Einschaltung der Ermittlungsbehörden besteht. Eine Rechtsverpflichtung zur Anzeigeerstattung besteht grundsätzlich nur bei ganz schwerwiegenden Delikten (insbesondere in den in § 138 StGB genannten Delikten).

 
Achtung

Überforderung, Reputationsrisiken und Beihilfevorwürfe vermeiden

Allerdings dürfte sich ein Unternehmen übernehmen, wenn es etwa ohne die Strafverfolgungsbehörden mit Fällen bandenmäßigen Diebstahls oder gewerbsmäßigen Missbrauchs seiner Logistikkette fertig werden will. Zudem drohen hier gegebenenfalls Reputationsrisiken, weil in der Öffentlichkeit später mit dem Vorwurf gerechnet werden muss, das Unternehmen habe die "Dinge unter dem Tisch" halten wollen. Schließlich könnte in besonderen Situationen auch der Vorwurf der Beihilfe durch Unterlassen erhoben werden.

Ferner ist zu prüfen, ob nicht aufgrund spezieller Regelungen des Gefahrenabwehrrechts bei Störfällen Melde- und Anzeigepflichten bei Aufsichtsbehörden bestehen. Das gilt insbesondere für den Umweltbereich, Produktsicherheit und den Lebensmittel- oder Pharmabereich. Ferner wurden auch durch das Informationssicherheitsgesetz Meldepflichten für Störungen der IT-Sicherheit eingeführt werden.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge