Rz. 213

Der gemeine Wert ist rückwirkend anzusetzen, soweit bei einer Realteilung einzelne Wirtschaftsgüter zum Buchwert übertragen worden sind, wenn innerhalb einer Sperrfrist nach der Übertragung bestimmte Wirtschaftsgüter veräußert oder entnommen werden. Zur Nachversteuerung der stillen Reserven kommt es nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG bei der Veräußerung oder Entnahme von

  • Grund und Boden,
  • Gebäuden (ausgenommen Umlaufvermögen) oder
  • anderen wesentlichen Betriebsgrundlagen.
 

Rz. 214

Diese Missbrauchsvorschrift soll verhindern, dass die Realteilung nicht der Umstrukturierung, sondern der Vorbereitung einer Veräußerung oder Entnahme dient, also z. B. Ausnutzung der Einkommensteuer-Progression oder Inanspruchnahme von § 16 und § 34 EStG bei Überführung der Realteilungsmasse in Nachfolgegesellschaften.[1]

 

Rz. 215

Die Sperrfrist endet 3 Jahre nach Abgabe der "Steuererklärung der Mitunternehmerschaft" – gemeint ist damit die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung – für den Veranlagungszeitraum der Realteilung (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG).

 

Rz. 216

Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG greift die Sperrfrist nur dann, wenn Grund und Boden sowie Gebäude wesentliche Betriebsgrundlagen darstellen. Dafür gilt die so genannte "funktionale quantitative" Betrachtungsweise.[2] Danach gehören zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen:

  • Wirtschaftsgüter, die nach Art des Betriebs und ihrer Funktion im Betrieb für diesen wesentlich sind (sog. "funktionale Betrachtung"), sodass es nicht darauf ankommt, ob sie stille Reserven enthalten, sowie
  • Wirtschaftsgüter, die aus einer funktionalen Sichtweite für den Betrieb zwar nicht erforderlich sind, aber in denen erhebliche stille Reserven ruhen (sog. "quantitative Betrachtung").[3]
 

Rz. 217

Die Nachversteuerung betrifft nur die innerhalb der Sperrfrist veräußerten oder entnommenen Wirtschaftsgüter. Bei den übrigen Wirtschaftsgütern bleibt es beim Buchwert. Erhält der Gesellschafter neben einem Teilbetrieb auch einzelne Wirtschaftsgüter, so gilt die Missbrauchsklausel nur für die einzelnen Wirtschaftsgüter, denn insoweit ist die Missbrauchsklausel objektbezogen zu betrachten.[4]

 

Rz. 218

Werden nur einzelne Wirtschaftsgüter veräußert oder entnommen, führt der rückwirkende Ansatz des gemeinen Werts zu einem laufenden Gewinn, der auch der Gewerbesteuer unterliegt. Dieser Gewinn ist allen früheren Mitunternehmern nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen.[5]

[1] Zimmermann/Hottmann u. a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, 12. Aufl. 2017, J. Rz. 262.
[3] Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, Kapitel L Rz. 849 m. w. N.; auch Wacker, in Schmidt, EStG, 2018, § 16 Rz. 101.
[4] Wacker, in Schmidt, EStG, 2018, § 16 Rz. 554.
[5] BMF, Schreiben v. 19.12.2018 IV C 6 – S 2242/07/10002, BStBl 2019 I S. 6, Rz. 28; Wacker, in Schmidt, EStG, 2018, § 16 Rz. 554; Zimmermann/Hottmann u. a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, 12. Aufl. 2017, J. Rz. 261.

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