Entscheidungsstichwort (Thema)

Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit. Nichtzahlung von Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen

 

Leitsatz (redaktionell)

Aus der Kenntnis der Nichtzahlung von Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen folgt die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung i.S.v. § 140 InsO nur bei sachkundigen Gläubigern.

 

Normenkette

InsO § 130 Abs. 2, §§ 140, 17 Abs. 2 S. 2, § 130 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Nordhausen (Urteil vom 02.12.2008; Aktenzeichen 1 Ca 1166/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.10.2011; Aktenzeichen 6 AZR 585/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 02.12.2008 – 1 Ca 1166/06 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Rückforderungsanspruch des Klägers als Verwalter über das Vermögen des Sch., welcher Inhaber der Fa. EAB Sch. Elektroanlagenbau gewesen ist, auf Grund Anfechtung von Lohnzahlungen durch den Gemeinschuldner am 14.05.2004 und 27.07.2004 für die Monate November 2003 und Dezember 2003 bis April 2004.

Bezüglich des erstinstanzlichen Sachvortrages, der gewechselten Anträge und der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 02.12.2008 (Bl. 239 ff. d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht Nordhausen hat die Klage aus den sich aus den Entscheidungsgründen (Bl. 242 ff. d. A.) ergebenden Gründen abgewiesen, da der Anspruch des Klägers in Folge Verwirkung erloschen sei. Der Rechtsvorgänger des Klägers, Herr Rechtsanwalt B., sei bereits seit dem 28.09.2004 als vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen des Gemeinschuldners eingesetzt worden und habe seit diesem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt, nicht nur die Verbindlichkeiten, sondern auch ausstehende Forderungen, so auch die vorstehenden Rückforderungsansprüche der Löhne der einzelnen Arbeitnehmer, zu prüfen. Erst mit Schreiben vom 07.12.2005 habe der Kläger die mit der Klage geltend gemachte Forderung gegenüber dem Beklagten begehrt. Wenn er über einen längeren Zeitraum untätig geblieben sei, gehe diese Untätigkeit zu seinen Lasten.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen wurde dem Kläger ausweislich des Empfangsbekenntnisses (Bl. 247 d. A.) am 09.01.2009 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 21.01.2009, welcher am gleichen Tag bei Gericht einging, legte der Kläger Berufung ein. Mit Schriftsatz vom 12.02.2009, welcher am 25.02.2009 bei Gericht einging, begründete der Kläger seine Berufung. Mit Schriftsatz vom 24.03.2009, welcher am gleichen Tag bei Gericht einging, erwiderte der Beklagte auf die Berufungsbegründung des Klägers.

Die Berufung ist der Auffassung, der Anspruch sei nicht verwirkt.

Unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei auf Grund des vorliegend unstreitigen Tatbestandes eine Zahlungseinstellung gem. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO des Schuldners festzustellen, woraus sich die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit ableite.

Der Beklagte habe auch positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit gehabt, da seine eigenen Ansprüche weit über die von dem BGH aufgestellte Dreiwochenfrist offengewesen seien und er nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon habe ausgehen können, dass diese in naher Zukunft vollständig ausgeglichen würden, denn die ausstehenden Forderungen des Gemeinschuldners gegenüber dessen Auftraggeber seien keineswegs unstreitig gewesen.

Der Beklagte habe auch eingeräumt, Kenntnis von den Lohn- und Gehaltsansprüchen aller weiteren Kollegen und Kolleginnen gehabt zu haben. Seine Kenntnis habe er u. a. aus den unstreitigen wöchentlichen Arbeitsberatungen, in welchen die wirtschaftliche Situation des Schuldners diskutiert worden sei, bezogen.

Zumindest aber habe der Beklagte Kenntnis von Umständen gehabt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit hätten schließen lassen gem. § 130 Abs. 2 InsO.

Dem Beklagten seien die Tatsachen der rückständigen Zahlungen über den Dreiwochenzeitraum ab Fälligkeit bekannt gewesen. Der Gemeinschuldner habe Außenstände von über 1 Mio. EUR in den Betriebsversammlungen gegenüber den Arbeitnehmers kommuniziert. Es habe für den Beklagten keinen Anhaltspunkt gegeben, der es erlaubt hätte, bei Empfang der streitgegenständlichen Zahlungen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Gemeinschuldner seine Liquiditätslücke binnen kürzester Frist wieder würde beseitigen können. Dies vor allem deshalb nicht, da die noch ausstehenden Forderungen nicht unbestritten gewesen seien und die eingeschalteten Politiker lediglich eine Teilzahlung in Aussicht hätten stellen können.

Der Beklagte habe davon Kenntnis gehabt, dass die anderen Arbeitnehmer Lohnrückstände für mindestens den gleichen Zeitraum aufgewiesen hätten. Der Gemeinschuldner habe bei Zahlung der streitgegenständlichen Beträge weitere erhebliche offene Verpflichtungen gegenüber dem Beklagten gehabt, deren Ausgleich der Gemeinschuldner gerade nicht in naher Zukunft habe in Aussicht s...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge