Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine außerordentlichen Einkünfte bei Zufluss von Hauptzahlung und Restzahlungen in mehr als zwei Veranlagungszeiträumen

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird die Auszahlung einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit über mehr als zwei Veranlagungszeiträume gestreckt, liegen außerordentliche Einkünfte selbst dann nicht vor, wenn die Hauptzahlung bereits im ersten Veranlagungszeitraum zufließt.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 1, 2 Nr. 4, § 11 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.12.2022; Aktenzeichen VI R 19/21)

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob es sich bei der Kapitalauszahlung aus einer Pensionszusage an die Klägerin um außerordentliche Einkünfte handelt, die nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt zu besteuern sind.

Die Klägerin war Mitgesellschafterin der A und B GmbH, die ihr am 31. Dezember 1999 eine Pensionszusage erteilte. Diese Zusage auf Rentenleistungen wurde mehrfach geändert, bis sie am 31. August 2015 auf eine wertgleiche einmalige Kapitalleistung umgestellt wurde. Nachdem die Klägerin am 23. November 2016 ihr vertraglich vereinbartes Pensionsalter erreicht hatte, schied sie zum 31. Dezember 2016 aus dem Dienst der GmbH aus. Obwohl die Auszahlung der Kapitalleistung in Höhe von 543.000 EUR in einem Betrag vereinbart war, wurde diese nach dem vorgelegten Schriftverkehr (Blatt 37 der ESt-Akte) jeweils in mehreren Teilbeträgen in Höhe von 473.000 EUR brutto (abzüglich der abgeführten Lohnsteuer in Höhe von 173.970 EUR)) in 2017, in 2018 in Höhe von 41.000 EUR in 2019 in Höhe von 24.000 und in 2020 in Höhe von 5.000 EUR an die Klägerin ausgezahlt.

Am 21. November 2019 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid, in dem er die in 2017 erhaltene Zahlung, abweichend vom Antrag der Klägerin, nicht als außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 2 EStG besteuerte, da der Betrag in mehreren Teilbeträgen und in mehreren Veranlagungszeiträumen ausgezahlt wurde.

Mit ihrem dagegen eingelegten Einspruch begehrte die Klägerin neben anderen nicht mehr streitigen Punkten die ermäßigte Besteuerung der Zahlung, da auch der Arbeitgeber den Betrag nach § 34 EStG unter Anwendung der Fünftel-Regelung ermäßigt besteuert habe. Für die erst nach 2017 gezahlten 70.000 EUR habe die Klägerin dem Arbeitgeber, im Wissen um dessen finanzielle Situation, faktisch ein Darlehen gewährt. Auch eine klageweise Geltendmachung der ausstehenden 70.000 EUR hätte nicht zu einer Auszahlung in 2017 geführt.

Mit Einspruchsentscheidung vom 3. September 2020 wies der Beklagte den Einspruch insoweit als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass entgegen der vereinbarten Einmalzahlung im Streitjahr lediglich ein Betrag in Höhe von 473.000 EUR tatsächlich ausgezahlt worden sei. Die verbleibenden 70.000 EUR seien erst in den drei folgenden Kalenderjahren zur Auszahlung gelangt. Damit fehle es an einer Zusammenballung der Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG. Auch ein unschädlicher planwidriger Zufluss in mehreren Veranlagungszeiträumen, im Sinne des BMF Schreibens vom 1. November 2013 – IV C 4 – S 2290/13/10002 Rz. 18 und 19 (BStBl 2013 I S. 1326), läge nicht vor.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass sie durch die Nichtgewährung der Tarifermäßigung gemäß § 34 EStG nach ihren Berechnungen in Höhe von 24.346,87 EUR steuerlich mehr belastet sei. Entgegen der Tatsachendarstellung des Beklagten habe sich die Auszahlung lediglich über einen Zeitraum von Februar 2017 bis August 2019 erstreckt. Außerdem habe die Klägerin die Schuldnerin der Pensionszahlungen mehrfach zur kurzfristigen Auszahlung der offenen Beträge aufgefordert, zuletzt sogar unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe. So sei letztlich am 18. Dezember 2018 eine Vereinbarung abgeschlossen worden, nach der sofort, also noch im Dezember 2018, ein Betrag von 20.000 EUR beglichen werden sollte, sodass Anfang 2019 lediglich noch ein Betrag in Höhe von 15.000 EUR offen war, der in den vereinbarten monatlichen Raten beglichen werden sollte. Darüber hinaus weist die Klägerin darauf hin, dass die A & B GmbH ausweislich der vorliegenden Bilanzen sowohl zum 31. Dezember 2017 als auch zum 31. Dezember 2018 finanziell überschuldet gewesen sei. Der Beklagte habe sich im Rahmen der Einspruchsentscheidung nicht ausreichend mit der Frage des Zuflusses gemäß § 11 EStG und der verfassungsmäßigen Grenzen sowie dem Sinn und Zweck der Regelung des § 34 EStG auseinandergesetzt. Bereits durch den Abschluss des Rechtsanwaltsvergleichs vom 18. Dezember 2018 über den restlichen noch offenen Betrag in Höhe von 15.000 EUR sei es zu diesem Zeitpunkt zu einem Zufluss im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG gekommen, sodass sich der Zufluss lediglich auf zwei Veranlagungszeiträume verteilt habe. Der Zufluss innerhalb eines Veranlagungszeitraums sei nach dem Wortlaut von § 34 EStG kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal. So würde der Zweck des § 34 Abs. 1 EStG nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) trotz Zufluss in mehreren Veranlagungszeiträumen nich...

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