Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffungskosten für im Wege einer Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital hinzuerworbene Genossenschaftsanteile

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist ein Steuerpflichtiger Inhaber mehrerer Anteile an einer unter die Bestimmungen des § 17 Abs. 1 EStG, § 17 Abs. 7 EStG fallenden Genossenschaft, die er zu verschiedenen Zeiten und/oder zu unterschiedlichen Anschaffungskosten erworben hat, kann er formfrei bestimmen, welche Anteile er „veräußert”. Für die Ermittlung eines Veräußerungsgewinns (oder -verlustes) im Sinne von § 17 EStG sind dann die Anschaffungskosten des jeweils veräußerten Anteils maßgebend.

2. Die Vorschrift des § 3 KapErhStG, durch die im Falle einer Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital die Anschaffungskosten der Anteile vor der Kaperhöhung gleichmäßig auf die Alt- und Neuanteile verteilt werden, ist auf Genossenschaften nicht anwendbar.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 7; KapErhStG § 3; KStG § 1 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.09.2023; Aktenzeichen IX R 19/21)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe von Verlusten aus der Veräußerung von Anteilen an einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, insbesondere um die Anschaffungskosten für die veräußerten Anteile.

Die Klägerin wurde in den Streitjahren (2013, 2015 und 2016) mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. In der Zeit des Bestehens der Deutschen Demokratischen Republik war sie an einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) beteiligt. Zum 21.11.1991 beschloss deren Mitgliedervollversammlung die formwechselnde Umwandlung der LPG in eine Agrargenossenschaft (eG). Gemäß Ziff. 3 des Umwandlungsbeschlusses i.V.m. § 3 Abs. 1 der Gründungssatzung erklärte die Klägerin neben weiteren 12 ehemaligen LPG-Mitgliedern ihren Beitritt zur eG.

Jedes Genossenschaftsmitglied musste sich nach der Gründungssatzung mit mindestens einem Geschäftsanteil als Pflichtanteil beteiligen und konnte seine Beteiligung auf insgesamt 10 Geschäftsanteile aufstocken. Sämtliche Gründungsmitglieder einschließlich der Klägerin hatten anlässlich der Gründung der eG jeweils einen (Pflicht-) Geschäftsanteil im Nennwert von 1.000 DM gezeichnet.

Am 12.04.2001 beschloss die Generalversammlung der eG eine Gewinnausschüttung an die Genossenschaftsmitglieder. Von dem auf die Klägerin entfallenden Gewinnanteil behielt die eG einen Teilbetrag i.H.v. 2.911,66 DM (= 1.488,70 EUR) ein, mit dem der Genossenschaftsanteil der Klägerin von 1.000 DM auf 2.000 EUR aufgestockt wurde.

Am 19.08.2008 beschloss die Mitgliederversammlung der eG, der Klägerin aus der – nach Ablösung der landwirtschaftlichen Altschulden – frei gewordenen betrieblichen Rücklage aus Rangrücktritt zusätzlich zu ihrem einen Pflichtanteil 9 weitere Genossenschaftsanteile á 2.000 EUR zuzuordnen, sodass die Klägerin insgesamt 10 Anteile á 2.000 EUR hielt.

Zum 31.12.2013 kündigte die Klägerin einen ihrer Genossenschaftsanteile und erhielt hierfür 2.000 EUR ausgezahlt. Überdies kündigte die Klägerin zum 31.12.2015 und zum 31.12.2016 jeweils vier weitere Genossenschaftsanteile und erzielte hieraus pro Anteil ebenfalls einen Veräußerungserlös i.H.v. 2.000 EUR.

Nachdem die Klägerin die zum 31.12.2013 wirksame Anteilsveräußerung nicht in ihrer ESt-Erklärung für 2013 erwähnt hatte, machte sie hieraus erstmals im diesbezüglichen Einspruchsverfahren einen Veräußerungsverlust i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) i.H.v. 150.989 EUR geltend. Dabei erklärte sie zunächst unter Berufung auf das Wahlrecht des H 17 Abs. 5 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) a.E., dass es sich bei dem gekündigten Anteil um ihren bei der Umwandlung der LPG und Gründung der eG in 1991 gezeichneten, ersten Anteil handeln soll.

Die Anschaffungskosten für diesen Anteil bezifferte die Klägerin zunächst auf 259.484,67 EUR. Zur Ermittlung der Anschaffungskosten teilte sie nach der sog. Equity-Methode das Eigenkapital der eG zum 1.7.1990 auf die Gründungsmitglieder auf. Das Eigenkapital der eG leitete sie aber nicht unmittelbar aus deren Eröffnungsbilanz auf den 1.7.1990 ab, welches dort i.H.v. 2.125.524,88 DM ausgewiesen ist. Stattdessen ging sie von dem im Jahresabschluss der eG auf den 30.09.1994, dem Letztjahr der Korrekturen nach § 36 DM-Bilanzgesetz (DMBilG), ausgewiesenen Eigenkapital i.H.v. 7.025.312,47 DM aus und ermittelte im Wege einer Rückrechnung, nämlich im Wesentlichen unter Hinzurechnung der Jahresfehlbeträge der Vorjahre ein Eigenkapital der eG zum 01.07.1990 i.H.v. 10.091.924,85 DM. Dieses sei auf die 13 Gründungsmitglieder aufzuteilen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung der Klägerin verwiesen.

Der Beklagte, das Finanzamt (FA), erkannte den Verlust nicht in der geltend gemachten Höhe an, sondern mit geändertem ESt-Bescheid vom 02.06.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung selben Datums nur i.H.v. 668,27 EUR. Übereinstimmend mit der Klägerin ging das FA davon aus, dass die Anschaffungskosten nach dem in der Eröffn...

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