Rz. 32

Der maßgebende Zeitpunkt, an dem die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung vorliegen müssen, ist der Bilanzstichtag. Auf diesen Stichtag muss die Teilwertabschreibung vorgenommen werden. Eine Teilwertabschreibung auf einen Zeitpunkt, der zwischen den Bilanzstichtagen liegt, ist nicht möglich.[1] Die Teilwertabschreibung braucht, soweit ein Wahlrecht besteht, aber nicht vorgenommen zu werden, wenn ihre Voraussetzungen erstmalig gegeben sind; vielmehr kann mit ihrer Vornahme gewartet werden, bis der Zeitpunkt für ihre Vornahme steuerlich am günstigsten erscheint.[2] Eine Nachholung einer früher möglichen, inzwischen aber nicht mehr gerechtfertigten Teilwertabschreibung kommt aber nicht in Betracht.

 

Rz. 33

Die Bindung der Teilwertabschreibung an den Bilanzstichtag führt dazu, dass bei einer Übertragung stiller Reserven auf eine Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 6.6 EStR oder auf eine Rücklage nach § 6b EStG eine Teilwertabschreibung nur von dem nach der Übertragung verbleibenden Buchwert vorgenommen werden kann, und zwar auch dann, wenn die Teilwertminderung schon bei Anschaffung oder Fertigstellung des Ersatzwirtschafts- bzw. Reinvestitionsguts vorgelegen hat; denn die Rücklage muss im Zeitpunkt des Zugangs des Ersatzwirtschafts- bzw. Reinvestitionsguts von dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgesetzt werden. Der dann verbleibende Betrag gilt fortan als Anschaffungs- oder Herstellungskosten, von dem Absetzungen und Abschreibungen vorzunehmen sind.[3] Die abweichende Rechtslage bei verschiedenen Sonderabschreibungen und bei erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG a. F. erklärt der BFH aus den wirtschaftspolitischen Zielsetzungen dieser Vorschriften.[4]

 

Rz. 34

Die Tatsachen, die eine Abschreibung rechtfertigen sollen, müssen am Bilanzstichtag bereits vorliegen. Das bedeutet:

  • Der Steuerpflichtige braucht die Tatsachen am Bilanzstichtag nicht zu kennen. Wesentlich ist, dass sie zu diesem Zeitpunkt vorliegen;
  • Tatsachen, mit deren Eintreten der Steuerpflichtige zwar schon am Bilanzstichtag rechnet, die aber in Wirklichkeit erst später eintreten, kommen für eine Teilwertabschreibung nicht in Betracht. Verdichtet sich jedoch die Voraussagbarkeit so, dass aus der subjektiven Schätzung des Kaufmanns eine objektive Tatsache wird, die den Markt beeinflusst, dann kann die Tatsache des Eintritts eines künftigen Ereignisses eine Abschreibung begründen. Die Abschreibung findet ihre Rechtfertigung darin, dass die voraussagbare künftige Gestaltung in dem bereits am Bilanzstichtag vorliegenden Sachverhalt ihre Grundlage findet.[5] Diese Voraussagbarkeit kann sich immer nur auf bestimmte einzelne Wirtschaftsgüter beziehen. Allgemeine Geschäfts- und Konjunkturrisiken, die der Kaufmann am Bilanzstichtag befürchtet, können bei der Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter nicht wertmindernd in Erscheinung treten.[6]
  • Endgültig einnahmelos – und damit insoweit einer Teilwertabschreibung zugänglich – ist eine Kapitalbeteiligung erst, wenn feststeht, dass Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen aus der nämlichen Beteiligung niemals als Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen i. S. d. § 3 Nr. 40 EStG einer bestandskräftigen Veranlagung des Steuerpflichtigen oder einer bestandskräftigen gesonderten und ggf. einheitlichen Feststellung seiner Einkünfte zugrunde gelegen haben.[7]
 

Rz. 35

Der Grundsatz, dass es auf die am Bilanzstichtag vorliegenden Tatsachen ankommt, ist von der Rechtsprechung des RFH, der sich der BFH angeschlossen hat, mehrfach aufgelockert worden. So kann ein kurz nach dem Bilanzstichtag eintretender Preissturz zu einer Teilwertabschreibung führen, wenn er sich schon am Stichtag in seinen Umrissen abgezeichnet hat.[8] Nach der Entscheidung des RFH[9] ist der Kaufmann an die Börsen- und Marktpreise dann nicht gebunden, wenn vorübergehende, völlig außergewöhnliche Umstände sie beeinflusst haben.[10] Der Kaufmann ist berechtigt, einen mittleren Wert anzusetzen, insbesondere wenn am Bilanzstichtag ein Börsenpreis gegeben ist, der der Preisentwicklung 6 Wochen vor und nach dem Stichtag widerspricht.[11] In erster Linie sollen damit Zufallskurse ausgeschaltet werden, die durch völlig ungewöhnliche Umstände herbeigeführt worden sind. Es muss geprüft werden, ob die Preisentwicklung innerhalb der letzten 4 bis 6 Wochen vor und nach dem Bilanzstichtag die Annahme rechtfertigt, dass der Stichtagspreis dieser Preisentwicklung nicht Rechnung trägt. Das ist z. B. der Fall, wenn die Preise eine ständig fallende Tendenz zeigen, wenn sich eindeutig feststellen lässt, dass die das Absinken der Preise nach dem Bilanzstichtag verursachenden Tatsachen schon am Bilanzstichtag gegeben waren, oder wenn die Preise vor oder nach dem Stichtag wesentlich niedriger liegen und deshalb die Vermutung gerechtfertigt ist, dass der Stichtagspreis ein ungewöhnlicher Preis oder ein Zufallspreis ist. Zeigen die Preise nicht nur vor und nach dem Stichtag, sondern auch sonst regelmäßig starke Schwankungen und lässt sich nicht erkennen, ob ...

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