Leitsatz

Eine Verböserung ist im Rahmen einer Einspruchsentscheidung wegen Einkommensteuer auch bezüglich einer unselbstständigen Besteuerungsgrundlage möglich, hinsichtlich derer die Finanzbehörde dem Einspruchsbegehren zuvor durch Teilabhilfebescheid abgeholfen hatte. Eine Teilabhilfe im Einspruchsverfahren führt nicht zur Teilbestandskraft der Steuerfestsetzung.

 

Sachverhalt

Der Kläger gab für das Streitjahr keine Einkommensteuererklärung ab. Der Beklagte (Finanzamt) setzte daher die Einkommensteuer unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen fest. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Kläger legte fristgerecht Einspruch ein, mit dem er eine Steuererklärung nebst Gewinnermittlung einreichte. Das Finanzamt (FA) setzte hierauf die Einkommensteuer in einem Änderungsbescheid teilweise herab und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Zwecks Prüfung innerhalb des noch nicht erledigten Einspruchsverfahrens bat das FA um Vorlage von Arbeitsverträgen mit nahen Angehörigen. Das FA kündigte an, die im Änderungsbescheid als Betriebsausgaben abgezogenen Aushilfslöhne nicht mehr anzuerkennen, wenn ordnungsgemäße Arbeitsverträge nicht vorgelegt werden würden. Der Beklagte wies auf seine Befugnis, den Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Einspruchsführers zu ändern, hin und regte unter Fristsetzung eine Rücknahme des Einspruchs an. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr in der Einspruchsentscheidung schließlich wieder herauf und wies den Einspruch im Übrigen zurück. Daraufhin erhob der Kläger Klage.

 

Entscheidung

Die Klage war unbegründet. Nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO könne ein Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser wie im Streitfall auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden sei, sich hierzu zu äußern. Die Teilabhilfe des Einspruchs durch Änderungsbescheid ändere hieran nichts. Voraussetzung für eine Änderung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO sei ein zulässiger und noch nicht erledigter Einspruch. Der Einspruch sei durch die Teilabhilfe im Streitfall auch nicht in der Hauptsache erledigt gewesen. Der Beklagte sei im Änderungsbescheid von der Erklärung abgewichen. Der Beklagte habe deshalb das Einspruchsverfahren mangels vollständiger Erledigung des Einspruchs zu Recht fortgesetzt. Der Änderungsbescheid habe schließlich nicht in dem Sinne zu einer teilweisen Erledigung des Einspruchsverfahrens geführt, dass sich die Prüfungsbefugnis des Finanzamts nicht mehr auf die Punkte erstreckt hätte, in denen es dem Begehren der Kläger entsprochen habe. Der Änderungsbescheid habe nicht eine Teilbestandskraft herbeiführen können. Der Änderungsbescheid sei vielmehr an die Stelle des ursprünglich angefochtenen Bescheids getreten und habe dazu geführt, dass das Einspruchsverfahren mit diesem Regelungsgehalt fortzuführen gewesen sei. Ausnahmen von der Unteilbarkeit seien lediglich für den Fall eines gegenständlich begrenzten Verzichts bzw. einer gegenständlich begrenzten Rücknahme des Einspruchs in § 354 Abs. 1a AO bzw. § 362 Abs. 1a AO 1977 vorgesehen. Das Finnazamt sei an der Verböserung auch nicht nach Treu und Glauben gehindert gewesen. Es habe im Änderungsbescheid nicht zu erkennen gegeben, dass er die darin angesetzten Besteuerungsgrundlagen abschließend geprüft habe. Gerade dem zeitlich unmittelbar an den Teilabhilfebescheid anschließenden Schreiben habe der Kläger entnehmen müssen, dass der Änderungsbescheid lediglich zu einer Teilabhilfe führen solle, eine eingehende Prüfung der Sache im Einspruchsverfahren aber noch ausstehe.

 

Hinweis

Die Revision wurde zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob eine Verböserung insoweit zulässig ist, als sie eine Besteuerungsgrundlage betrifft, die das Finanzamt aufgrund eines Einspruchs in einem Teilabhilfebescheid bereits im Sinne des Einspruchsführers angesetzt hatte, noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Eine Verböserung nach Teilabhilfebescheid wird in der Literatur und in der Rechtsprechung der Finanzgerichte überwiegend bejaht. Allerdings vertritt das FG Hamburg hierzu eine andere Auffassung (FG Hamburg, Urteil v. 18.12.1981, VI 206/78, EFG 1982 S. 283). Erklärt das Finanzamt bei Erlass des Teilabhilfebescheids, die Prüfung des Falles sei insoweit abgeschlossen, ist wohl davon auszugehen, dass nach Treu und Glauben eine erneute Überprüfung im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens nicht mehr möglich ist. Änderungen nach § 172 ff. AO zum Nachteil des Steuerpflichtigen sind allerdings auch dann nicht ausgeschlossen.

 

Link zur Entscheidung

FG Düsseldorf, Urteil vom 16.08.2005, 10 K 4173/02 E

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