Leitsatz

Sind die Voraussetzungen einer tatsächlichen Verständigung gegeben, besteht eine Bindungswirkung an die Verständigung, die grundsätzlich nur einvernehmlich beseitigt werden kann.

 

Sachverhalt

Die Kläger waren Eheleute, die für 1994 bis 1996 zusammen veranlagt wurden. Für den Zeitraum wurde eine Betriebsprüfung durchgeführt. Im Betriebsprüfungsbericht wurde festgehalten, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Außerdem sei ein weiterer Teilbetrieb, der offiziell durch die Schwägerin geführt wurde, dem Kläger zuzurechnen, was zu erheblichen Mehrsteuern führte. Zudem habe er Subunternehmer beschäftigt, bei denen fraglich sei, ob es sich nicht um Scheinfirmen gehandelt habe. Im April 2000 kam es zu einer Schlussbesprechung. Dem Kläger war zuvor eine Unterlage mit den offenen Punkten zugeleitet worden. In der Schlussbesprechung unterzeichnete der Kläger eine Erklärung, die als tatsächliche Verständigung überschrieben war. In dieser Erklärung sind die Punkte niedergelegt, über die sich Parteien in der Besprechung verständigt haben. Auf dieser Grundlage ergingen geänderte Steuerbescheide, gegen die die Kläger Einspruch einlegten. Sie trugen vor, es sei in diversen Punkten eben keine Übereinstimmung erzielt worden. Nach nur teilweise erfolgreichen Einspruchsverfahren wurde Klage erhoben. Das Finanzamt verwies auf die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage zum Teil statt, hinsichtlich des überwiegenden Teils hatte die Klage indes keinen Erfolg. Insbesondere ging das Gericht davon aus, dass zwischen den Parteien eine wirksame tatsächliche Verständigung zustande gekommen ist. Die formellen Voraussetzungen für die tatsächliche Verständigung seien gegeben. Dabei sei eine bereits zuvor abgeschlossene mündliche tatsächliche Verständigung nachträglich schriftlich fixiert worden. An dieser tatsächlichen Verständigung seien beide Parteien gebunden.

 

Hinweis

Der Entscheidung ist insofern von Interesse, als sie die Voraussetzungen und Folgen einer tatsächlichen Verständigung sehr gut darstellt[1]. Das Gericht kam hier zu der Überzeugung, dass die Voraussetzungen der tatsächlichen Verständigung gegeben waren. Wenn dem so ist, besteht eine Bindungswirkung an die Verständigung, die grundsätzlich nur einvernehmlich beseitigt werden kann. Eine einseitige Lösung ist nur in Ausnahmefällen möglich[2]. Welche Normen dabei Anwendung finden, hängt maßgeblich von der Frage ab, ob in der tatsächlichen Verständigung ein Vertrag gesehen wird oder ob die Gutglaubensgrundsätze Anwendung finden. Insofern muss der Abschluss einer tatsächlichen Verständigung im Einzelfall wohl überlegt werden, da diese eben Bindungswirkung auch für den Fall entfaltet, dass sie sich später als für den Steuerpflichtigen nachteilig herausstellt.

Das Verfahren ist rechtkräftig.

 

Link zur Entscheidung

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.12.2009, 15 K 7377/05 B

[1] Vgl. hierzu auch BMF, Schreiben v. 30.7.2008, BStBl 2008 I S. 831; zu einigen offenen Fragen auch Dißars, NWB 2010, Heft 27 S. 2141
[2] S. Frotscher, in Schwarz, AO; § 162 AO Tz. 96

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge