Leitsatz

Ersetzen Freiaktien einer niederländischen AG entsprechend einem vereinbarten Wahlrecht die Bardividende, unterliegen sie als Einnahmen aus Kapitalvermögen der ESt nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG; die Voraussetzungen der §§ 1, 7 KapErhStG für einen steuerfreien Erwerb der Anteile liegen insoweit nicht vor.

Eine tatsächliche Vermutung spricht dafür, dass der Wert der Freiaktien zumindest dem Betrag der "ersetzten" Bardividende entspricht.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1, § 8 Abs. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 2; § 1, § 7 KapErhStG, §§ 207 ff. AktG, §§ 50c ff. GmbHG, Art. 56 EGV

 

Sachverhalt

Der im Revisionsverfahren verstorbene Kläger bezog in den Streitjahren 1997 und 1998 aus einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung an einer niederländischen AG entsprechend einer in der Satzung vorgesehenen Wahlmöglichkeit statt Dividenden sog. Freiaktien.

Das FA behandelte letztere als Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe des Werts der Bardividenden. Klage und Revision hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH sah den Bezug der Freiaktien gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG als steuerbar an. Die Freiaktien ersetzten entsprechend dem vereinbarten Wahlrecht die Bardividende, so dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gem. §§ 1, 7 Abs. 1 KapErhStG nicht erfüllt seien. Die Zuwendung der Freiaktien bedeute gegenüber dem auf Zahlung einer Geldsumme gerichteten Dividendenanspruch eine Leistung an Erfüllungsstatt. Sie beruhe auf einer individuellen Erwerbsentscheidung. Dementsprechend hätten sich auch die Beteiligungsverhältnisse geändert.

Der Eintragung in den Niederlanden könne auch nicht konstitutiv entnommen werden, dass es sich um eine Kapitalerhöhung entsprechend den §§ 207 ff. AktG handle.

Da Gesellschafter deutscher und ausländischer AG gleich behandelt würden, scheide auch eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung aus.

Die Freianteile seien mit dem Wert der Bardividende, an deren Stelle sie gewählt und bezogen worden seien, nach § 8 Abs. 2 EStG zu bewerten. Es spreche eine tatsächliche – widerlegbare – Vermutung dafür, dass der Börsenwert der bezogenen Aktien zumindest dem Wert der "ersetzten" Bardividende entspreche.

Schließlich verneint der BFH eine Steuerfreiheit der Bezüge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, da in den Niederlanden ein sog. klassisches Körperschaftsteuersystem gelte, ohne eine mit dem deutschen Recht vergleichbare Gliederungsrechnung.

 

Hinweis

1. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist ein Vorgang, der sich innerhalb der Vermögenssphäre der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter abspielt und die Ertragssphäre der Gesellschafter unberührt lässt. Materiell wird die Kapitalerhöhung dadurch geprägt, dass der Gesellschaft keine neuen Mittel zugeführt werden dürfen. Vielmehr wird das Grundkapital durch Umwandlung von Rücklagen erhöht.

2. Erhöht eine Kapitalgesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ihr Nennkapital durch Umwandlung von – in der letzten Jahresbilanz ausgewiesene – Kapital- oder Gewinnrücklagen in Nennkapital, so gehört der Wert der neuen Anteilsrechte bei den Anteilseignern nach § 1 KapErhStG nicht zu den Einkünften i.S.v. § 2 Abs. 1 EStG. Erforderlich ist eine handelsrechtlich wirksame Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (BFH, Urteil vom 27.3.1979, VIII R 147/76, BStBl II 1979, 560), wozu auch die Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister gehört. Damit entstehen neue Anteilsrechte unmittelbar und automatisch in der Person der Gesellschafter, und zwar beteiligungsproportional im Verhältnis zu ihren bisherigen Anteilsrechten.

3.§ 7 Abs. 1 Nr. 2 KapErhStG dehnt den Anwendungsbereich des § 1 auf Kapitalerhöhungen ausländischer Gesellschaften aus, sofern sie ihrem materiellen Wesensgehalt nach der Rücklagenumwandlung nach §§ 207 ff. AktG entsprechen. Dazu gehört, dass der Gesellschafter mit den neuen Anteilsrechten nichts erwirbt, was er nicht bereits besessen hätte. Insbesondere dürfen keine Einzahlungsverpflichtungen der Aktionäre begründet werden. Im Übrigen kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Kapitalerhöhung in allen Einzelheiten den deutschen Vorgaben entspricht.

4. Allerdings kann die Eintragung in ein ausländisches Handelsregister nur dann Gewähr bieten, dass es sich um eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelt, wenn das Registerrecht dem deutschen entspricht. Die Eintragung ist deshalb insoweit nicht konstitutiv, wie aus ihr nicht hervorgeht, dass es sich um eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelt. Die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 KapErhStG trifft den Anteilseigner.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.2.2006, VIII R 49/03

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