Leitsatz

Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung an einen Dritten zur Ermittlung unbekannter Steuerfälle sind zulässig, wenn ein "hinreichender Anlass" gegeben ist. Im Urteilsfall war 1 konkreter Fall bekannt, in dem die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zu Mehrsteuern geführt hat. Diese Erkenntnis rechtfertigte auch Ermittlungsmaßnahmen in großer Zahl.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein Verein, der Auskünfte über Personen erteilt, die für Versicherungen und Bausparkassen im Außendienst tätig sind. Der Verein sammelt Daten darüber, welche Person mit welcher Versicherung zusammenarbeitet sowie über die Zusage und Widerruf der Courtage. Im Mai 2009 forderte die Steuerfahndungsstelle des beklagten Finanzamts diesen Verein auf, Auskünfte hinsichtlich der Vertragsbeziehungen bei 1.050 Versicherungsvertreter zu geben. Begründet wurde dies damit, dass dies der Aufdeckung unbekannter Steuerfälle diene. Es lägen Erkenntnisse vor, dass in einigen Fällen Steuererklärungen nicht oder nicht zutreffend abgegeben und erhebliche Mehrsteuern erzielt worden seien. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren machte der Verein im Klageverfahren geltend, es lägen hier unzulässige Ermittlungen ins Blaue hinein vor.

Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei mehreren der 1050 Fälle Steuerunehrlichkeit gegeben sei. Auskünfte von dritter Seite seien auch erst dann zulässig, wenn bei einem Beteiligten die Auskünfte nicht erlangt werden könnte. Das Auskunftsersuchen sei auf die Fälle zu beschränken, in denen tatsächliche Anhaltspunkte für ein steuerunehrliches Verhalten vorlägen. Darüber hinaus sei das Verlangen ungeeignet, da keine Auskünfte über die Höhe der Einkünfte vorlägen. Das Finanzamt trat dem entgegen. Die Steuerfahndung dürfe Sammeleinkünfte einholen, wobei sie sich nicht stets zuvor an die Beteiligten gewandt haben müsse. Ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen habe bestanden, da in einem Fall in einem steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen einen Versicherungsvertreter Feststellungen getroffen worden seien; es entspräche der Lebenserfahrung, dass auch in anderen Fällen steuerunehrliches Verhalten gegeben sei, zumal in Schätzungsfällen kein Einspruch erhoben worden sei. Von den 1050 Personen hätten in dem Zeitraum 362 keine Steuererklärung abgegeben, die übrigen Personen im Zeitraum nur teilweise. Ziel der Anfrage sei es, Ermittlungen gezielt fortführen zu können.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet ab, da das Auskunftsersuchen hier rechtmäßig gewesen sei. Nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO sei die Steuerfahndung auch berufen, unbekannte Steuerfälle aufzuklären. Hierfür ist ein hinreichender Anlass erforderlich, der einen konkreten Anlass erfordert, so dass Ermittlungen ins Blaue hinein nicht zulässig sind. Hier konnte das Finanzamt darlegen, dass in einem Fall keine Steuererklärung abgegeben wurde, was zu Mehrsteuern von EUR 25.000 geführt hat. Dieser eine Fall sei ein hinreichender Anlass um Ermittlungen in Gang zu setzen. Die Nachfrage habe sich nicht auf alle Versicherungsvertreter in Sachsen erstreckt, sondern nur auf die, die ihren Steuererklärungspflichten nicht voll umfänglich nachgekommen seien. Es sei hier auch nicht erforderlich gewesen, sich zuvor an die Beteiligten zu wenden, da dies im Rahmen des § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO für die Steuerfahndung nur eingeschränkt gelte. Die weitergehenden verfassungsrechtlichen Schranken seien bei dem Auskunftsersuchen ebenfalls gewahrt, insbesondere sei das Auskunftsersuchen verhältnismäßig gewesen.

 

Hinweis

Die Entscheidung hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle ist unzweifelhaft eine wichtige Aufgabe der Steuerfahndungsstellen. Um dieser Aufgabe nachgehen zu können, sind Ermittlungen in Verdachtsfällen zwingend. Es ist aber seit langem gesicherte Erkenntnis, dass ein hinreichender Anlass für die Fahndungstätigkeit gegeben sein muss[1]. Ermittlungen ins Blaue hinein sind deshalb verboten[2]. Hier war 1 konkreter Fall bekannt, in dem die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zu Mehrsteuern geführt hat. Nach Ansicht des BFH rechtfertigen solche Erkenntnisse auch Ermittlungsmaßnahmen in großer Zahl[3], so dass die Entscheidung, zumal nur solche Steuerpflichtige abgefragt wurden, die bislang keine Steuererklärung abgegeben hatten, wohl von der Rechtsprechung des BFH gedeckt ist. Gleichwohl hinterlässt sie einen bitteren Nachgeschmack, da das Verbot der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen ins Blaue hinein schon sehr weit ausgehöhlt wird, wenn flächendeckend für ein Bundesland eine Berufsgruppe durchleuchtet wird und als Ausschlusskriterium allein die Frage der Abgabe von Steuererklärungen angeführt wird.

 

Link zur Entscheidung

Sächsisches FG, Urteil vom 27.05.2010, 2 K 2181/09

[1] BFH, Urteil v. 13.2.1968, GrS 3/67, BStBl 1968 II S. 369; vgl. Dumke, in Schwarz, AO, § 208 AO Tz. 49
[2] BFH, Urteil v. 29.10.1986, VII R 82/85, BStBl 1988 II S. 359

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