1.4.1 Verfassungswidrigkeit von Durchsuchungsbeschlüssen

Ein Durchsuchungsbeschluss in einer Steuerstrafsache ist verfassungswidrig, wenn er

  • keine zeitliche Eingrenzung enthält (Zeiträume der Steuerverkürzung),
  • die Steuerarten nicht nennt oder
  • die aufzufindenden Beweismittel nicht beschreibt.

In der Praxis erfüllen Durchsuchungsbeschlüsse die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen häufig nicht.[1]

Ein rechtswidriger Durchsuchungsbeschluss führt nur dann zu einem Beweisverwertungsverbot, das auch nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden kann, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahme führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden.[2]

 
Hinweis

Unterbrechung der Strafverfolgungsverjährung möglich

Sind die Steuerarten und Zeiträume im Durchsuchungsbeschluss nicht genannt, lässt sich später nicht feststellen, ob der Durchsuchungsbeschluss insoweit die Strafverfolgungsverjährung unterbrach.[3] Wenn nicht deutlich zu erkennen ist, worauf der Durchsuchungsbeschluss zielt, gilt der Grundsatz "in dubio pro reo".[4]

Verbleiben Zweifel daran, ob eine von mehreren Taten von der Unterbrechungswirkung einer Untersuchungshandlung erfasst wird, ist zugunsten des Angeklagten zu entscheiden.

Bei Strafverfahren ist – spätestens in der mündlichen Hauptverhandlung – kritisch zu prüfen, ob ein Durchsuchungsbefehl tatsächlich die Strafverfolgungsverjährung im Hinblick auf die vorgeworfenen Zeiträume und Steuerarten unterbrochen hat. Immer wieder ergibt sich, dass für einzelne Jahre Verjährung eingetreten ist oder alsbald bevorsteht.

In der Praxis der Finanzbehörden wird häufig auch der Notwendigkeit nicht Rechnung getragen, dass im Durchsuchungsbeschluss auch tatsächliche Angaben bzgl. der vorgeworfenen Sachverhalte erforderlich sind und die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts nicht ausreichend ist.[5]

[1] BVerfG, Beschluss v. 6.3.2002, 2 BvR 1619/00, NJW 2002 S. 1941; BVerfG, Beschluss v. 5.5.2000, 2 BvR 2212/99, StV 2000 S. 465; BVerfG, Beschluss v. 23.6.1990, 2 BvR 910/88, n. v.; BGH, Urteil v. 5.4.2000, 5 StR 226/99, StV 2000 S. 477; Baur, Mangelnde Bestimmtheit von Durchsuchungsbeschlüssen, wistra 1983 S. 99.
[3] BGH, Urteil v. 5.4.2000, 5 StR 226/99, StV 2000 S. 477; LG Frankfurt/Main, Urteil v. 10.7.2000, 5/26 KLs – 94 Js, wistra 2001 S. 28; LG Darmstadt, Urteil v. 8.12.1999, 13 QS 810/99-13 KLs, wistra 2000 S. 238.
[4] Volk, wistra 1998 S. 281.
[5] BVerfG, Beschluss v. 3.9.1991, 2 BvR 279/90, StV 1992 S. 49, NStZ 1992 S. 91; LG Krefeld, Urteil v. 21.2.1992, 21 Qs 54/92, wistra 1993 S. 316.

1.4.2 Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug

Das BVerfG hat mit Urteil vom 20.2.2001 die Grundsätze für die Annahme von Gefahr im Verzug (d. h. ohne vorherige Einholung eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses) einschränkend festgelegt:

  • Der Begriff "Gefahr im Verzug" ist eng auszulegen; die richterliche Anordnung einer Durchsuchung ist die Regel, die nichtrichterliche die Ausnahme.
  • "Gefahr im Verzug" muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrung gestützte, fallunabhängige Vermutungen reichen nicht aus.
  • Auslegung und Anwendung des Begriffs "Gefahr im Verzug" unterliegen einer unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle.
  • Eine wirksame gerichtliche Nachprüfung der Annahme von "Gefahr im Verzug" setzt voraus, dass sowohl das Ergebnis als auch die Grundlage der Entscheidung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Durchsuchungsmaßnahme in den Ermittlungsakten dargelegt werden.[1]

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