Zusammenfassung

 
Überblick

Die Steuerfahndung ist in den letzten Jahren verstärkt dazu übergegangen, anlässlich von Durchsuchungsmaßnahmen Vermögenswerte im Wege des Arrests vorläufig sicherzustellen: Vorgefundenes Bargeld wird mitgenommen, Bankkonten werden gepfändet, sodass der Beschuldigte nicht mehr darüber verfügen kann, oder es werden für Immobilien Sicherungshypotheken eingetragen. Durch derartige Maßnahmen kann die wirtschaftliche Existenz des Beschuldigten unmittelbar gefährdet werden. Hinzu kommt, dass die Rechtsbehelfe gegen derartige Maßnahmen Zeit benötigen und häufig wegen hoher Streitwerte kostspielig sind. Die Probleme und Kosten, die bei dem Betroffenen auf diese Weise verursacht werden, sind auch deshalb häufig so ärgerlich, weil sich die von der Steuerfahndung erhobenen Vorwürfe und behaupteten Steuernachforderungen im Laufe des späteren Verfahrens i. d. R. drastisch reduzieren.

Für den Berater ist es oft schwierig, rasch und adäquat zu reagieren, wenn die Finanzbehörden das Instrumentarium der entlegenen und im Bereich der AO bzw. insbesondere der StPO komplizierten Arrestvorschriften einsetzen.

In der Praxis werden sowohl die steuerlichen als auch die strafprozessualen Arrestvorschriften angewandt.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Die §§ 324 ff. AO regeln den steuerlichen Arrest.

1 Grundsätze des steuerlichen Arrests

Die Anordnung des Arrests setzt einen Arrestanspruch und das Vorliegen eines Arrestgrunds voraus.[1]

1.1 Arrestanspruch – Entstehen des Steueranspruchs ist ausreichend

Steueransprüche müssen noch nicht fällig sein oder zahlenmäßig feststehen, es genügt, dass sie entstanden sind. Nach § 38 AO entstehen Ansprüche aus den Steuerschuldverhältnissen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Der Steuerarrest kann bereits dann angeordnet werden, wenn der Steueranspruch zwar noch nicht endgültig festgestellt werden kann, für sein Bestehen aber eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht. Überzogene Anforderungen dürfen an die Ermittlungspflicht nicht gestellt werden.[1]

Auch die Haftungsschuld entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Entstehung der Haftung knüpft. Zwar ist der Haftungstatbestand abhängig von einer entstandenen Hauptschuld; dies bedeutet jedoch nicht, dass bei Inanspruchnahme des Haftungsschuldners die Steuerschuld gegen den Steuerschuldner festgesetzt sein muss.[2]

Zur Haftung des faktischen Geschäftsführers müssen zusätzlich die Voraussetzungen der faktischen Geschäftsführung erfüllt sein. Eine solche liegt vor, wenn von den 8 klassischen Merkmalen im Kernbereich der Geschäftsführung mindestens 6 erfüllt sind.[3] Die 8 klassischen Merkmale sind:

  • Bestimmung der Unternehmenspolitik,
  • Unternehmensorganisation,
  • Einstellung von Mitarbeitern,
  • Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern,
  • Verhandlungen mit Kreditgebern,
  • Gehaltshöhe,
  • Entscheidung der Steuerangelegenheiten,
  • Steuerung der Buchhaltung.
[1] BGH, Urteil v. 3.10.1985, III ZR 28/84, NJW 1986 S. 2952.
[2] Schuster, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 38 Anm. 80.
[3] BayOblG, Urteil v. 20.2.1997, 5 St RR 159/96, BB 1997 S. 850.

1.2 Steuerpflichtiger muss als steuerlich unzuverlässig gelten

Der Arrestgrund beinhaltet die Befürchtung, dass die Vollstreckung der später rechtskräftig festgesetzten Steuerforderung ohne die Anordnung des Arrests vereitelt oder wesentlich erschwert wird.[1]

Ein Sicherstellungsbedürfnis (Arrestgrund) liegt z. B. bei folgenden Fall-Konstellationen vor:

  • Verbringen von Vermögen ins Ausland,
  • Vernichten von Geschäftsbüchern,
  • Führen eines Betriebs unter falschem Namen; Fingieren von Vorsteuern durch Scheinrechnungen,
  • häufiger, dem Finanzamt nicht angezeigter Wohnsitzwechsel in Verbindung mit der Nichtabgabe von Steuererklärungen.[2]

Der dringende Verdacht der Steuerhinterziehung allein ist noch nicht ausreichend, vielmehr sind weitere Indizien erforderlich (Leerräumen von Bankkonten im Anschluss an die Steuerfahndungsprüfung, Vorbereitung des Wegzugs ins Ausland o. ä.). Insgesamt ist eine Arrestanordnung immer dann gerechtfertigt, wenn der Steuerpflichtige als steuerlich unzuverlässig zu gelten hat. Der Arrest soll nicht nur die Vollstreckungsmöglichkeit als solche (den Vollstreckungserfolg), sondern gerade auch die Leichtigkeit der Vollstreckung, d. h. den schnellen und unmittelbaren Zugriff auf einzelne Vermögensgegenstände des Steuerpflichtigen gewährleisten.[3]

Schlechte Vermögensverhältnisse oder die drohende Gläubigerkonkurrenz in einem möglichen Insolvenzverfahren sind keine Arrestgründe. Dagegen ist die nachhaltige Schmälerung des Betriebsvermögens durch die Einbuchung von Scheinrechnungen geeignet, einen Arrest i. S. d. § 324 Abs. 1 Satz 1 AO zu rechtfertigen.[4] Steuerpflichtige, die aus einem anrüchigen Milieu stammen (z. B. Rotlicht, Baubranche mit dem latenten Risiko der Unterstellung von Schwarzarbeit bzw. Umdeutung von Subunternehmer in Scheinselbständige, Gaststättengewerbe, Kapitalanlagebranche), die potentielle Arrestschuldner im Visier des Fiskus sind, deponieren bereits vorsorglich den Großteil eines Vermögens auf ausländischen Bankkonten, die äußerst schwi...

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