Leitsatz

Unternehmer können sich bei ratenweise vergüteten Vermittlungsleistungen auf eine unmittelbare Anwendung von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL berufen.

 

Normenkette

§ 13 Abs. 1 Buchst. a Sätze 2 und 3 UStG, Art. 63, 64 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin war im Streitjahr 2012 als Spielervermittlerin im bezahlten Fußball tätig. Sie versteuerte ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten. Sie erhielt bei erfolgreicher Vermittlung von Profifußballspielern (Spieler) Provisionszahlungen von den aufnehmenden Fußballvereinen. Der Vergütungsanspruch für die Vermittlung setzte dem Grunde nach voraus, dass der Spieler beim neuen Verein einen Arbeitsvertrag unterschrieb und die DFL‐GmbH als Lizenzgeber dem Spieler eine Spielerlaubnis erteilte. Die Provisionszahlungen waren in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrags zu leisten, wobei die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen Ratenansprüche unter der Bedingung des Bestehens des Arbeitsvertrags zwischen Verein und Spieler standen.

Der von der Klägerin für den Spieler A vermittelte Arbeitsvertrag hatte eine Laufzeit von drei Jahren über drei Spielzeiten (2012/2013, 2013/2014 und 2014/2015) bis zum 30.6.2015. Für jede Spielzeit war ein "festes Honorar" zu zwei Terminen, jeweils zum 1.9. und zum 1.3. einer Spielzeit zu zahlen. Voraussetzung für den Vergütungsanspruch war, dass zum jeweiligen Zeitpunkt der Lizenzspielervertrag unverändert fortbestand. Ähnliche Vergütungsbedingungen bestanden in Bezug auf die Vermittlung der Spieler B und C.

Das FA ging davon aus, dass die Klägerin ihre im Streitjahr erbrachten Vermittlungsleistungen auch insoweit bereits im Streitjahr zu versteuern habe, als sie Entgeltbestandteile für diese Vermittlungen vertragsgemäß erst im Jahr 2015 beanspruchen konnte.

Demgegenüber gab das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 18.8.2016, 5 K 288/15, Haufe-Index 9851719, EFG 2016, 1925) der Klage statt.

 

Entscheidung

Nach Einleitung eines den Streitfall betreffenden Vorabentscheidungsersuchens, das zum EuGH-Urteil vom 29.11.2018 (a.a.O.) führte, wies der BFH die Revision des FA als unbegründet zurück.

Das FG habe im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerin die Entgelte, die sie erst nach Ablauf des Streitjahres für die im Streitjahr erbrachten Vermittlungsleistungen vereinnahmt habe, nicht bereits im Streitjahr, sondern erst mit der Vereinnahmung zu versteuern habe, da sie sich auf eine unmittelbare Anwendung von Art. 64 MwStSystRL gegenüber dem nicht unionsrechtskonformen § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG berufen könne.

 

Hinweis

1. Die Umsatzsteuer ist eine indirekte Steuer, die nicht den Unternehmer, sondern den Letztverbraucher belasten soll. Der Unternehmer kann insoweit als Steuereinnehmer und Inkassobeauftragter des Fiskus charakterisiert werden.

Im Bereich der sog. Sollbesteuerung (Besteuerung nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG) kann sich dies als problematisch erweisen. Denn die Sollbesteuerung verpflichtet den Unternehmer zu einer Besteuerung für den Voranmeldungszeitraum, in dem er seine Leistung erbracht hat, selbst wenn er das ihm hierfür zu­stehende Entgelt noch nicht vereinnahmt hat. Gleiches gilt für Teilleistungen.

Der Sachverhalt des Besprechungsurteils verdeutlicht dies. Der Kläger soll in 2012 erbrachte Vermittlungsleistungen auch insoweit bereits in diesem Jahr versteuern, als er Entgelte hierfür erst im Jahr 2015 beanspruchen konnte.

2. Der BFH hatte ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet, um mögliche Grenzen der Sollbesteuerung auszuloten. Hierauf ist der EuGH allerdings nicht eingegangen, sondern antwortete zu Art. 64 MwStSystRL, der unionsrechtlichen Grundlage des nationalen Teilleistungsbegriffs. Dabei bestehen zwischen dem Unionsrecht und dem nationalen Recht Unterschiede:

  1. Geben Lieferungen von Gegenständen, die nicht die Vermietung eines Gegenstands oder den Ratenverkauf eines Gegenstands betreffen, und Dienstleistungen zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass, gelten sie nach Art. 64 MwStSystRL jeweils als mit Ablauf des Zeitraums bewirkt, auf den sich diese Abrechnungen oder Zahlungen beziehen.
  2. Teilleistungen liegen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird.

3. In seinem zum BFH-Revisionsverfahren V R 8/19 ergangenen Urteil vom 29.11.2018 (EuGH, Urteil vom 29.11.2018, C-548/17, baumgarten sports & more, Haufe-Index 12481974, EU:C:2018:970) hat der EuGH entschieden, dass Steuertatbestand und Steueranspruch für die Vermittlung von Profifußballspielern unter der Bedingung von Ratenzahlungen, die sich über mehrere Jahre nach der Vermittlung erstrecken, nicht bereits im Zeitpunkt der Vermittlung eintreten.

4. Zu entscheiden war nunmehr, was sich hieraus für das nationale Recht ergibt.

a) Nach dem nunmehr ergangenen BFH-Urteil ist der Teilleistungsbegriff in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG, der darauf abstellt, dass für b...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge