Leitsatz

Verzichtet der Chefarzt gegenüber dem Träger der Klinik, an der er tätig ist, auf das ihm durch die Klinik eingeräumte Recht zur Privatliquidation gegen monatliche Ausgleichszahlungen, die der Klinikträger leistet, um auch insoweit selbst gegenüber Privatversicherten abrechnen zu können, liegt eine steuerbare Verzichtsleistung vor, die nicht als Verzicht auf die zukünftige Erbringung von Heilbehandlungsleistungen gegenüber den Privatversicherten steuerfrei ist.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Der bei einer Universitätsklinik angestellte Kläger verzichtete im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung auf die Leitung der Klinik sowie auf das ihm eingeräumte Recht zur Privatliquidation für die Behandlung ambulanter und/oder stationärer Privatpatienten und Selbstzahler.

Die Klinik zahlte an den Kläger als Ausgleich für den Verzicht auf das Recht zur Privatliquidation und sämtlicher sonstiger dem Kläger aufgrund dieser Vereinbarung entstehender finanzieller Nachteile beginnend ab dem Monat ... bis zu dem Monat seines Eintritts in den Ruhestand einen monatlichen Geldbetrag. Das FA sah hierin eine steuerpflichtige Verzichtsleistung. Die hiergegen erhobene Klage zum FG war erfolgreich (Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 30.9.2020, 4 K 67/18, Haufe-Index 14205800, EFG 2021, 70).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Klage ab.

 

Hinweis

1. Der BFH hält weiter an seiner Rechtsprechung fest, dass auch ein im Rahmen eines Vertrags gegen Vergütung ausgesprochener Verzicht auf eigene Rechte zu einer entgeltlichen Leistung führt.

2. Bei der Frage, ob eine derartige Verzichtsleistung steuerfrei sein kann, folgt der BFH einer Spiegelbildbetrachtung, nach der z.B. die Steuerfreiheit als Heilbehandlung auf den gegen Entgelt ausgesprochenen Verzicht, derartige Heilbehandlungsleistungen zu erbringen, durchschlagen kann. Ebenso erstreckt sich z.B. die Steuerfreiheit der Grundstücksvermietung auch auf die vertragliche Auflösung des Mietvertrags gegen Abfindung.

Charakteristisch hierfür ist, dass die jeweiligen Leistungen und der darauf bezogene Verzicht im Rahmen desselben Zweipersonenverhältnisses zwischen Leistendem und Leistungsempfänger erfolgen. Dabei zahlt z.B. der ursprünglich Leistende wie etwa ein Vermieter im Rahmen eines zweiten Umsatzes, damit er die Dispositionsbefugnis über die Mietsache aufgrund eines vom Mieter ausgesprochenen Verzichts auf das Mietrecht wiedererlangt. Erforderlich ist somit eine Identität von Leistendem und Leistungsempfänger, wobei sich die jeweilige Rolle im Rahmen der Verzichtsleistung umkehren kann.

Hieran fehlt es bei einem Dreipersonenverhältnis, wenn z.B. ein Klinikum im Rahmen der Anstellung eines Chefarztes eine (sonstige) Leistung (nichtsteuerbar) an den Chefarzt erbringt, indem es diesem eine Nebentätigkeitsgenehmigung (Recht zur Privatliquidation) einräumt. Aufgrund dieser Genehmigung erbringt der Chefarzt aufgrund von Behandlungsverträgen gegenüber seinen Patienten steuerfreie Heilbehandlungen. Verzichtet der Chefarzt gegenüber dem Klinikum auf die weitere Behandlung von Privatpatienten und erhält er hierfür einen finanziellen Ausgleich, liegt eine Verzichtsleistung nur im Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Klinikum vor, während das Rechtsverhältnis zu seinen Patienten nur insoweit betroffen ist, als dem Chefarzt nach seinem Verzicht die rechtliche Befugnis fehlt, weitere steuerfreie Heilbehandlungsleistungen an Privatpatienten durchzuführen. Die vermögenswerte Abrechnungsbefugnis für die von Chefärzten im Klinikum vorgenommene Behandlung von Privatpatienten und Selbstzahlern steht damit – wie vor der Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung an den Chefarzt – wieder dem Klinikum zu. Die nur mittelbare Auswirkung auf die steuerfreie Leistungserbringung genügt nicht, um eine Steuerfreiheit der Verzichtsleistung zu begründen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.6.2022 – V R 36/20

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