Leitsatz

1. Der auf den 31.12.1990 festzustellende verbleibende Verlustabzug nach § 10d Abs. 3 EStG 1990 wird durch die in den Veranlagungszeiträumen bis einschließlich 1990 tatsächlich angefallenen Verluste und durch deren Verbrauch bestimmt, wie er sich bei zutreffender Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen sowie bei zutreffender Handhabung des innerperiodischen Verlustausgleichs (§ 2 Abs. 3 EStG) und des Verlustrücktrags und -vortrags nach § 10d Abs. 1 und 2 EStG 1990 ergeben hätte (sog. Soll-Verlustabzug).

2. Das ab Veranlagungszeitraum 1975 eingeführte Offizialprinzip (Verlustabzug von Amts wegen) ist – abweichend vom Wortlaut des § 62d EStDV – auch in Fällen wechselnder Veranlagungsart zu beachten (hier: Wechsel zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung).

3. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass ein Übernahmeverlust nach §§ 5 Abs. 4, 6 Abs. 3 Satz 3 UmwStG 1977 grundsätzlich nicht zu berücksichtigen war.

 

Normenkette

§ 10d EStG , § 62d EStDV , § 5 UmwStG , § 6 UmwStG

 

Sachverhalt

Der verheiratete Kläger war Inhaber eines freiberuflichen Einzelunternehmens, dessen Gewinn er durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelte. Außerdem war er alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Die Beteiligung war in der Bilanz des Klägers auf den 31.12.1988 als Betriebsvermögen ausgewiesen.

Im Dezember 1988 beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH, deren Vermögen mit Schulden nach dem UmwStG 1969 unter Ausschluss der Liquidation und unter Zugrundelegung der Umwandlungsbilanz zum 31.10.1988 auf den Kläger zu übertragen. Das Unternehmen sollte von diesem als Einzelkaufmann unter einer neu errichteten Firma fortgeführt werden. Die Umwandlung wurde 1989 in das Handelsregister eingetragen.

Der Kläger ermittelte aus diesem Vorgang für das Jahr 1988 einen Übernahmeverlust (AK für die GmbH-Anteile ./. negativer Wert des übergegangenen Betriebsvermögens). Er wurde für den VZ 1988 antragsgemäß getrennt veranlagt. Das FA erkannte den Verlust nicht an.

Für die VZ 1989 und 1990 wurde der Kläger mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt. Von dem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte des Jahrs 1990 trug das FA einen Teil auf den VZ 1988 (Folge: ESt 0 DM), einen anderen Teil auf den VZ 1989 zurück (Folge: ESt 15.544 DM). Die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.1990 lehnte es ab. Auch dem Antrag des Klägers, den Feststellungsbescheid nach § 10d Abs. 3 EStG unter Ansatz des Umwandlungsverlusts 1988 zu ändern, entsprach es nicht.

 

Entscheidung

Klage und Revision hatten keinen Erfolg. Dabei ging der BFH davon aus, dass wegen der Maßgeblichkeit des Soll-Verlustrücktrags zu prüfen sei, ob 1988 ein Umwandlungsverlust entstanden sei. Ein Wahlrecht des Klägers bestehe wegen des nach § 10d EStG geltenden Offizialprinzips nicht; § 62d Abs. 1 EStDV sei hier nicht einschlägig.

Die Übertragung des Vermögens der GmbH auf den Kläger habe zu keinem Auflösungsverlust i.S.v. § 17 Abs. 4 EStG i.V.m. § 11 Abs. 2 UmwStG 1977 geführt. Es sei vielmehr beim Kläger ein Übernahmeverlust entstanden, der steuerrechtlich jedoch nicht berücksichtigungsfähig sei.

 

Hinweis

Der Fall betrifft das Jahr 1990, für das erstmals der verbleibende Verlustabzug (Verlustvortrag) gesondert festzustellen war (§ 52 Abs. 1 EStG 1990). Streitig war hier insbesondere, ob dieser Feststellung die den bestandskräftigen Veranlagungen der Vorjahre zugrunde liegenden, tatsächlichen Verlustrückträge zugrunde zu legen waren (sog. Ist-Verlustabzug) oder ob davon auszugehen war, was bei materiell-rechtlich zutreffender Würdigung in diese Jahre zurückzutragen gewesen wäre (sog. Soll-Verlustabzug). Der Wortlaut des § 10d Abs. 3 Satz 2 EStG 1990 war insoweit missverständlich, aber von der Rechtsprechung bereits bisher (vgl. BFH, Urteil vom 6.7.1999, VIII R 12/98, BStBl II 1999, 731) nach dem Sollprinzip ausgelegt worden. Das vorliegende Urteil bestätigt die Auslegung nach dem Sollprinzip.

Ein besonderes Problem bietet der Fall aber insoweit, als zu klären war, wie sich der nach §10d Abs. 1 EStG von Amts wegen vorzunehmende Verlustrücktrag auswirkt, wenn in einem der Rücktragsjahre ein Wechsel von der getrennten oder besonderen Veranlagung zur Zusammenveranlagung eintrat. Denn dem Offizialprinzip scheint hier § 62d Abs. 1 Satz 1 EStDV entgegenzustehen, der in einem solchen Fall dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zubilligt. Berücksichtigt man allerdings, dass § 26a Abs. 3 EStG eine Ermächtigungsgrundlage für diese Regelung nur dann gewährt, wenn bei beiden Ehegatten nicht ausgeglichene Verluste vorliegen und dies im Streitfall nur beim Ehemann gegeben war, dann ist das Wahlrecht bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung hier ausgeschlossen. Gegen ein solches Wahlrecht spricht auch der Grundsatz der Individualbesteuerung der Ehegatten und die Entstehungsgeschichte des § 62d EStG, die eine wortlautkorrigierende Auslegung dieser Vorschrift nahe legt.

Das FG musste danach prüfen, ob im Verlustrücktragsjahr 1988 ein Ve...

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