Rz. 72

Ein Theater i. S. d. § 4 Nr. 20 UStG wendet sich i. d. R. an eine unbestimmte Zahl von Zuschauern und hat die Aufgabe, der Öffentlichkeit Theaterstücke in künstlerischer Form nahezubringen. Ein Theater liegt vor[1], wenn so viele künstlerische und technische Kräfte und die zur Ausführung von Theaterveranstaltungen notwendigen technischen Voraussetzungen unterhalten werden, dass die Durchführung eines Spielplans aus eigenen Kräften möglich ist. Das Vorhandensein eines Theaters im technischen Sinn (Theatergebäude, Theatereinrichtungen, Bedienungspersonal) reicht allein nicht aus. Es muss vielmehr die Institution eines Theaters, also insbesondere ein auf bestimmte Zeit verpflichteter Stamm von Schauspielern (Ensemble), vorhanden sein.[2] Theater ist der Sammelbegriff der für Zuschauer bestimmten Darstellungen eines in Szene gesetzten Geschehens. Theater ist demnach jede szenische Darstellung eines äußeren oder inneren Geschehens und die künstlerische Kommunikation zwischen Darstellern und Zuschauern. Dabei ist es ausreichend, dass ernst zu nehmende Aufführungen geboten werden. Für die weitere Vergleichbarkeit mit den befreiten Einrichtungen kommt es u. a. darauf an, wie die Aufführungen im Einzelnen ausgestaltet sind, insbesondere ob und in welchem Umfang und von wem schauspielerische, musikalische oder tänzerische Darbietungen erbracht werden, ob in einer Veranstaltung ggf. ein oder mehrere Theaterstücke bzw. Musikstücke und/oder Tänze aufgeführt werden, wie lange die Veranstaltungen jeweils dauern und in welchem Rahmen sie stattfinden. Eine Legaldefinition des Begriffs "Theater" bzw. einer "theaterähnlichen Vorstellung" fehlt im UStG. Allen Theaterformen ist gleich, dass sie sich der Ausdrucksform der Sprache/Musik und/oder Körpersprache bedienen. In der Literatur wird der Begriff "Theater" im Allgemeinen weit verstanden, so als "eine Inszenierung jeglicher Art, deren Darsteller durch Kommunikationsmittel wie Sprache, Körper oder Musik den Bezug zum Publikum herstellen". Maßgebend für die Theatervorführung ist damit die menschliche und körperliche Basis der künstlerischen Kommunikation, d. h. der Mensch selbst tritt in Kontakt mit dem Publikum, um sein Kunstwerk zu transportieren. So stellte auch der BFH[3] fest, dass eine Budo-Gala ein pantomimisches Werk darstellt, bei dem der geistige Gehalt durch das Ausdrucksmittel der Körpersprache, d. h. durch Bewegungen, Gebärden und Mimik wiedergegeben wird.

 

Rz. 73

Es genügt, dass ein Theater die künstlerischen und technischen Kräfte nur für die Spielzeit eines Stücks verpflichtet. Ein eigenes oder gemietetes Theatergebäude braucht nicht vorhanden zu sein. Auch Theater, die in der Form eines eingetragenen Vereins betrieben werden, deren Mitglieder ausschließlich Gemeinden sind, erfüllen den Theaterbegriff.[4]

 

Rz. 74

Zu den Theatern gehören auch Freilichtbühnen, Wanderbühnen, Zimmertheater, Heimatbühnen (z. B. Theateraufführungen durch Laienspielgruppen in gemeindeeigenen Räumlichkeiten), Puppen-, Marionetten- und Schattenspieltheater sowie literarische Kabaretts, wenn sie die übrigen Abgrenzungskriterien erfüllen. Filmvorführungen, Varietéaufführungen und sonstige Veranstaltungen der Kleinkunst fallen nicht unter den Theaterbegriff als solchen und sind damit nicht steuerbefreit. Auch Amateurtheater können der Öffentlichkeit Theaterstücke in einer Form und auf einer Ebene nahebringen, die eine Auseinandersetzung mit dem aufgeführten Stück erlaubt, zum Nachdenken anregt und unterhält. Schließlich wird von einer gleichen kulturellen Aufgabenerfüllung auszugehen sein, wenn Theater in öffentlich-rechtlicher oder privater Trägerschaft einen gleichen oder ähnlichen Zuschauerkreis im öffentlichen Raum erreichen. Daraus kann sich bei gleichem örtlichem Bezug eine Wettbewerbssituation ergeben. Theater privater Träger können aber auch eine Ersatzfunktion ausüben, wenn Theater von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wie z. B. nicht selten im ländlichen Raum, nicht zur Verfügung stehen.[5] Unverständlich ist, da in Abschn. 3.20.1 Abs. 2 UStAE nur "literarische" Kabaretts, nicht aber auch politische Kabaretts genannt sind, warum nicht auch für solche die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG in Betracht kommen sollte. Kabarett wird als eine humoristisch-satirische oder politisch-gesellschaftliche Aufführung auf einer Bühne bezeichnet, die darstellende Kunst (Monolog, Dialog, usw.) mit Literatur und Musik vereint. Man unterscheidet dabei das literarische Kabarett (Gedichte, Lieder, Prosatexte) und das politische Kabarett (Parodien, Satiren, Sketche). Es ist keine Begründung ersichtlich, warum die eine Form des Kabaretts begünstigt werden sollte und die andere nicht. Erstens handelt es sich in Abschn. 4.20.1 Abs. 2 UStAE um keine abschließende, sondern um eine beispielhafte Aufzählung und zweitens könnte ein Ausschluss politischer Kabaretts von der Steuerbefreiung weder unionsrechtlich noch nach nationalem Recht vertretbar sein. Bei der Prüfung, ob der Unternehmer ei...

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