Rz. 59

Der XI. Senat des BFH hatte die Auffassung vertreten[1], eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 2 UStG wirke umsatzsteuerlich nicht auf den Zeitraum vor ihrer Ausstellung zurück. Nach dem Wortlaut beziehe sich die Vorschrift lediglich darauf, "dass die anderen Unternehmer – im Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung – die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen". Darüber hinaus sei die Bescheinigung nicht verbindlich. Demgegenüber vertrat der V. Senat die Auffassung[2], eine zur Steuerbefreiung der Parallelvorschrift des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG erteilte Bescheinigung schaffe für den in ihr bezeichneten Zeitraum, also auch für die Zeit vor der Antragstellung, die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Leistungen. Die Verwaltung war der BFH-Entscheidung v. 6.12.1994 gefolgt, dass die Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 2 UStG für den in ihr angegebenen Zeitraum auch rückwirkend die Beurteilung der Leistungen als steuerfrei schafft. Der BFH hatte an seiner Rechtsprechung festgehalten, nach der für die Beurteilung der Steuerfreiheit der Leistungen der in der Bescheinigung angegebene Zeitraum heranzuziehen ist.[3] Dem entsprechen Zweck und Systematik der Vorschrift. Die Steuerbefreiung steht nicht[4] zur Disposition des Steuerpflichtigen. Die Verbindung der übrigen Voraussetzungen der Steuerbefreiung mit der Bescheinigung einer allgemeinen Verwaltungsbehörde soll deren Fachwissen für die Finanzbehörde nutzbar machen. Die Unternehmer sollen mit ihren Umsätzen nicht mit Steuer belastet werden, aber auch nicht berechtigt sein, die damit zusammenhängenden Vorsteuern abzuziehen. Eine "Gestaltung", mithilfe einer "nachträglich" erwirkten Bescheinigung Umsätze zunächst (mit dem ermäßigten Steuersatz) der Besteuerung zu unterwerfen, solange höhere Vorsteuerbeträge vorhanden sind, ermöglicht die Vorschrift nicht. Das UStG bietet auch keine Rechtsgrundlage dafür, Umsätze erst vom Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung (während eines Jahrs) als steuerfrei zu behandeln.

 

Rz. 60

Die Bescheinigung der Künstlereigenschaft nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG, welche als Grundlagenbescheid für die Umsatzsteuerfestsetzung anzusehen ist, unterlag wegen des seit dem 1.1.2011 geltenden Verweises auf die entsprechende Anwendung von § 181 Abs. 1 und Abs. 5 AO den für Feststellungsbescheide geltenden Verjährungsregeln. Die Frist für die Erteilung, Änderung oder Aufhebung von Bescheinigungen durch die zuständigen Landesbehörden betrug somit grds. nur noch 4 Jahre. Darüber hinaus konnte eine Bescheinigung aber noch vor dem Eintritt der Festsetzungsverjährung der USt (§ 181 Abs. 5 AO) ausgestellt oder geändert werden. Die Rückabwicklung von Steuerfestsetzungen oder eine nachträgliche Besteuerung war damit seit dem 1.1.2011 nur noch zeitlich begrenzt möglich. Dadurch sollte Rechtssicherheit sowohl für die betroffenen Unternehmen als auch für die Verwaltung hergestellt werden. Seit dem 1.1.2017 unterliegt die Wirkung von Bescheinigungen nach § 4 Nr. 20 UStG den durch § 171 Abs. 10 AO gesetzten Grenzen. § 171 Abs. 10 S. 1 AO gewährt eine maximale Anpassungsfrist von zwei Jahren nach Bekanntgabe eines durch eine Finanzbehörde erlassenen Grundlagenbescheids. Bei Grundlagenbescheiden, die nicht von einer Finanzbehörde erlassen werden (z. B. solche nach § 4 Nr. 20 UStG von einer Kulturbehörde), beginnt die Zweijahresfrist nach § 171 Abs. 10 S. 2 AO in dem Zeitpunkt, in dem die für den Erlass des Folgebescheids zuständige Finanzbehörde Kenntnis von diesem Grundlagenbescheid erlangt hat. § 171 Abs. 10 S. 2 AO gilt für alle am 31.12.2016 noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen.[5] Ein Grundlagenbescheid, der nicht den Vorschriften der Feststellungsverjährung (§ 181 AO) unterliegt, löst die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 S. 1 oder 2 AO nur dann aus, wenn er vor Ablauf der Festsetzungsfrist des Folgebescheids bei der für den Erlass des Grundlagenbescheids zuständigen Behörde beantragt worden ist.[6] Hierunter fallen insbesondere Grundlagenbescheide ressortfremder Behörden (z. B. Bescheinigungen nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG). Die Festsetzungsfrist für den Folgebescheid läuft in diesen Fällen nicht ab, solange über den Antrag auf Erlass des Grundlagenbescheids noch nicht unanfechtbar entschieden worden ist.[7]

Rz. 61 einstweilen frei

 

Rz. 62

Für die Erteilung oder die Aufhebung der Bescheinigung sowie alle anderen damit im Zusammenhang stehenden Aspekte des Verwaltungsverfahrens ist das jeweilige Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes maßgebend, dem die bescheinigende Behörde angehört. Im Gegensatz zur AO enthalten die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder aber keine Verjährungsregelungen. Dieser Tatsache trägt die gesetzliche Regelung in § 171 Abs. 10 AO Rechnung.

Rz 63 einstweilen frei

 

Rz. 64

Grundsätzlich ist somit das verjährungsrechtliche Wechselspiel zwischen der Umsatzsteuerfestsetzung und der Erteilung der Bescheinigung zu beachten: Wird eine Bescheinigung unter Beachtung der in § 171 Abs. 10 AO geregelten Fris...

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