Rz. 21

Die Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL ist u. a. ausgeschlossen, wenn eine reale Gefahr besteht, dass die Befreiung für sich genommen unmittelbar oder in der Zukunft zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann.[1] Fraglich ist, ob eine typisierende Beurteilung der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen für bestimmte "Berufssparten" durch den nationalen Gesetzgeber mit Blick auf entsprechend vergleichbare Lebenssachverhalte möglich und auch im Wege des Vorabausschlusses solcher Berufssparten von der Steuerbefreiung zulässig ist. Ein solcher Ansatz könnte insbesondere der Rechtsklarheit und –sicherheit dienen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Steuerbefreiung nach der Rechtsprechung des EuGH bereits dann abzulehnen ist, wenn "eine reale Gefahr besteht, dass die Befreiung für sich genommen unmittelbar oder in der Zukunft zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann". Der Begriff der Wettbewerbsverzerrung ist danach weit zu verstehen. Die Prüfung der Wettbewerbsklausel würde somit eine Bewertung sowohl der gegenwärtigen als auch der potenziellen zukünftigen Wettbewerbssituation voraussetzen, die nur auf Grundlage komplexer wirtschaftlicher Analysen des jeweiligen Tätigkeitsbereichs vorgenommen werden könnte. Auch würde jede Änderung der Wettbewerbsbedingungen eine Neubewertung der Wettbewerbssituation erfordern. Eine solche Prüfung komplexer wirtschaftlicher Vorgänge im jeweiligen Einzelfall ist zum einen den zuständigen lokalen Finanzbehörden sicher nur äußerst schwer möglich. Zum anderen könnte dies auch dem Personenzusammenschluss und seinen Mitgliedern nicht zumutbar sein, da sie nicht mit der notwendigen Gewissheit vorhersehen könnten, ob die fraglichen Dienstleistungen beim jeweils nächsten Umsatz umsatzsteuerfrei sind oder nicht. Die Besteuerung wäre somit nicht voraussehbar. Auch wären langwierige Rechtsstreitigkeiten über die komplexen Fragen der Wettbewerbssituation die Folge. Dennoch hat der EuGH[2] offensichtlich dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit abgesprochen, bei der Umsetzung der Steuerbefreiung in das nationale Recht bestimmte Berufssparten von vornherein aus Wettbewerbsgründen von der Steuerbefreiung auszunehmen. Offensichtlich ist der EuGH der Auffassung, dass die Wettbewerbsklausel des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL einzelumsatzbezogen auszulegen ist. D.h. für einen Umsatz kann (auch wenn ansonsten die materiell-rechtlichen Voraussetzungen vorliegen) im Einzelfall die Steuerbefreiung versagt werden, wenn dadurch größere Wettbewerbsverzerrungen zu befürchten wären.[3]

Rz. 22 einstweilen frei

[1] Vgl. EuGH v. 20.11.2003, C-8/01, Taksatorringen, BFH/NV 2004, 122.
[2] EuGH v. 21.9.2017, C-616/15, Kommission/Deutschland, Haufe-Index 11255291, UR 2017, 792.
[3] Vgl. zu Unsicherheiten über die Wettbewerbsverzerrungsklausel und zur steuersystematischen Wirkung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL auch Ismer/Piotrowski/Reiß, MwStR 2017, 345; vgl. dazu auch Rz. 47ff.

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