Rz. 47

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG für die Leistung des Personenzusammenschlusses steht unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt. Anders als in § 2b Abs. 1 UStG ist in § 4 Nr. 29 UStG nicht von "größeren Wettbewerbsverzerrungen" die Rede. Das Ausmaß der Wettbewerbsverzerrung ist für Zwecke des § 4 Nr. 29 UStG also unbeachtlich.

 

Rz. 48

Dem Merkmal der Wettbewerbsverzerrung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL kommt der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 29 UStG zufolge[1] nach Darlegung des EuGH eine eigenständige Bedeutung zu. Mit dem Ziel, Wettbewerbsnachteile gegenüber Marktteilnehmern zu kompensieren, die ihre Dienstleistungen durch eigene Angestellte oder im Rahmen einer Organschaft erbringen, kommt danach nur eine restriktive Auslegung der Wettbewerbsklausel in Betracht, die insbesondere der Vermeidung von Missbräuchen entgegenwirkt. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Bildung eines Zusammenschlusses als solches nicht zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führt. Eine Steuerbefreiung scheidet danach aber aus, wenn eine reale Gefahr besteht, dass die Befreiung für sich genommen unmittelbar oder in der Zukunft zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Ob dies der Fall ist, ist sowohl auf Grundlage der Art der erbrachten Leistung als auch aufgrund der objektiven (Markt-)Umstände der jeweiligen Leistungserbringung zu ermitteln. Indizien für eine zweckwidrige Anwendung der Steuerbefreiung können der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 29 UStG zufolge sein, dass der Personenzusammenschluss unter Ausnutzung von Synergieeffekten die gleichen Dienstleistungen entgeltlich an Nicht-Mitglieder am Markt erbringt, dass die Verlagerung von externen beliebigen, insbesondere nicht auf die Bedürfnisse seiner Mitglieder zugeschnittenen Dienstleistungen auf den Personenzusammenschluss erfolgt, obwohl derartige Leistungen ohne Weiteres auch von anderen Marktteilnehmern angeboten werden könnten und dass bei dem Personenzusammenschluss im Ergebnis allein die Optimierung der umsatzsteuerlichen Vorbelastungen im Vordergrund steht.

 

Rz. 49

Für nichtunternehmerische Umsätze, die von jPöR erbracht werden, sind die Voraussetzungen der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 29 UStG zufolge[2] entsprechend anzuwenden. Werden z. B. im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit hoheitliche Tätigkeiten z. B. für Infrastruktureinrichtungen, für Sozial-, Jugend- und Gesundheitsverwaltung oder für den Tourismus auf privatrechtlicher Grundlage auf einen Personenzusammenschluss übertragen, für die die kooperierenden jPöR als Nichtunternehmer gelten, sind diese Tätigkeiten unter die Befreiung zu fassen, wenn die Aufgabenübertragung und -ausführung eine Wettbewerbsverzerrung ausschließt. Dies soll im Grundsatz auch für Personenzusammenschlüsse gelten, die von Hochschulen oder (angeschlossene) Universitätskliniken gegründet werden.

Eine Verzerrung des Wettbewerbs scheidet der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 29 UStG zufolge[3] aus, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Regelung besteht, auf deren Grundlage ein Tätigwerden Dritter und damit eine Wettbewerbssituation ausgeschlossen ist.

 

Rz. 50

Die Wettbewerbsklausel in § 4 Nr. 29 UStG ist wörtlich aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL übernommen worden. Dies ist insoweit unverständlich, als sich die Wettbewerbsklausel, so wie sie in der MwStSystRL gefasst ist, an den jeweiligen Mitgliedstaat bzw. dessen Gesetzgeber richten könnte in dem Sinne, dass der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der MwStSystRL in das nationale Recht die Steuerbefreiung nur insoweit gewähren kann, als sie nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Die Mitgliedstaaten hätten danach die Voraussetzung, dass eine Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen darf, vor Erlass einer gesetzlichen Regelung zu der Steuerbefreiung zu prüfen. Gemessen an dieser Überlegung käme der Wettbewerbsklausel des § 4 Nr. 29 UStG nur deklaratorische Bedeutung in dem Sinne zu, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass im Anwendungsbereich der Steuerbefreiung keine Wettbewerbsverzerrungen (Nachteile Dritter im Vergleich zu Kostenteilungsgemeinschaften) zu befürchten sind.

 

Rz. 51

Andererseits scheint der EuGH, ohne dass er diese Frage bereits ausdrücklich beantwortet hat, der Auffassung zu sein, dass die Wettbewerbsklausel umsatzbezogen zu betrachten ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH[4] besteht eine solche Wettbewerbsverzerrung, wenn "eine reale Gefahr besteht, dass die Befreiung für sich genommen unmittelbar oder in der Zukunft zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann". Damit besteht eine Abhängigkeit der Steuerbefreiung jedes einzelnen Umsatzes von der realen Gefahr, dass die Steuerbefreiung als solche in der Zukunft – also bei anderen Umsätzen – möglicherweise zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Diese Einzelfallbetrachtung kann zu einer nicht zumutbaren Rechtsunsicherheit für den betroffenen Unternehmer (Personenzusammenschluss) führen. Dieser könnte nicht sicher sein, ob ein...

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