Rz. 19

Eine Beschränkung der Steuerbefreiung auf Zusammenschlüsse (ausschließlich) im Gesundheitsbereich (wie in Deutschland nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG i. d. F. bis 31.12.2019) entspricht nicht den unionsrechtlichen Vorgaben.[1] Die EU-Kommission hatte in ihrem Klageverfahren gegen Deutschland argumentiert, gäbe es die Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL nicht, müsste auf die vom Zusammenschluss erbrachte Leistung MwSt abgeführt werden. Da die Mitglieder des Personenzusammenschlusses diese nicht als Vorsteuer abziehen könnten, würde die vom Zusammenschluss erbrachte Leistung zum Kostenfaktor, der eine sinnvolle Arbeitsteilung verhindern würde. Einer solchen Kostenbelastung stehe auch die Neutralität der MwSt entgegen. Die Steuerbefreiung müsse daher nicht nur auf Zusammenschlüsse von Personen angewendet werden, die steuerbefreite sozialfürsorgliche, erzieherische, sportliche oder kulturelle Tätigkeiten i. S. d. Art. 132 MwStSystRL ausüben, sondern umfasse etwa auch Zusammenschlüsse von Banken und Versicherungen, die ihrerseits nach Art 135 MwStSystRL sind. Insoweit ist der EuGH der EU-Kommission nicht gefolgt. Seinem Wortlaut nach enthält Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL zwar keine Beschränkung auf bestimmte Berufsgruppen, für die Auslegung der Steuerbefreiung ist aber neben dem reinen Wortlaut auch die systematische Stellung der Steuerbefreiung zu beachten. Die Steuerbefreiungen der MwStSystRL sind unter dem Kapitel IX mit der Überschrift "Steuerbefreiungen" zusammengefasst. Dieses Kapitel ist untergliedert in 10 Kapitel. Kapitel 1 enthält seiner Überschrift nach "Allgemeine Bestimmungen", Kapitel 2 "Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten", Kapitel 3 "Steuerbefreiungen für andere Tätigkeiten", Kapitel 4 "Steuerbefreiungen bei innergemeinschaftlichen Umsätzen", Kapitel 5 "Steuerbefreiungen bei der Einfuhr" Kapitel 6 "Steuerbefreiungen bei der Ausfuhr", Kapitel 7 "Steuerbefreiungen bei grenzüberschreitenden Beförderungen“", Kapitel 8 "Steuerbefreiungen bei bestimmten, Ausfuhren gleichgestellten Umsätzen", Kapitel 9 "Steuerbefreiungen für Dienstleistungen von Vermittlern" und schließlich Kapitel 10 "Steuerbefreiungen beim grenzüberschreitenden Warenverkehr". Die Steuerbefreiung für die Dienstleistungen von Personenzusammenschlüssen an ihre Mitglieder ist Teil der Aufzählung von Steuerbefreiungstatbeständen des Art. 132 MwStSystRL. Diese Vorschrift, deren Wortlaut seit Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie nahezu gleichgeblieben ist, findet sich unter dem Kapitel 2, der mit "Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten" bezeichnet ist. Bereits aus dieser systematischen Stellung im Normgefüge folgt nach dem EuGH-Urteil v. 21.9.2017[2], dass sich die Steuerbefreiung nur auf solche Dienstleistungen von selbstständigen Zusammenschlüssen von Personen beziehen kann, die dem Gemeinwohl dienen.

[1] Vgl. EuGH v. 21.9.2017, C-616/15, Kommission/Deutschland, Haufe-Index 11255291, UR 2017, 792.
[2] EuGH v. 21.9.2017, C-616/15, Kommission/Deutschland, Haufe-Index 11255291, UR 2017, 792.

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