1 Allgemeines

1.1 Vorbemerkung, Zweck und Bedeutung der Vorschrift

 

Rz. 1

Nach § 4 Nr. 29 UStG sind sonstige Leistungen von selbstständigen Personenzusammenschlüssen[1] an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke ihrer (dem Gemeinwohl dienenden) nicht steuerbaren oder ihrer (dem Gemeinwohl dienenden) nach § 4 Nr. 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder Nr. 27 UStG steuerfreien Umsätze unter den weiteren Voraussetzungen der Vorschrift steuerfrei. Diese bestehen darin, dass die von dem Personenzusammenschluss erbrachten Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung einer der in der Vorschrift genannten steuerfreien oder nicht steuerbaren Tätigkeiten (des jeweiligen Mitglieds) verwendet werden müssen. Zusätzlich darf das Entgelt für die Leistung nicht über einen Kostenersatz hinausgehen. Schließlich darf die Steuerbefreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen.[2]

 

Rz. 2

Die Vorschrift ergänzt die Steuerbefreiungen für Zwecke des Gemeinwohls nach § 4 Nr. 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 und 27 UStG. Zweck der Vorschrift ist es, den Unternehmern, die steuerfreie Umsätze nach den genannten Vorschriften ausführen, oder Mitgliedern, die nicht steuerbare Umsätze erbringen (wie z. B. hoheitliche Tätigkeiten durch juristische Personen des öffentlichen Rechts), Kooperationen einzugehen, ohne wegen ihres fehlenden Vorsteuerabzugs dadurch umsatzsteuerliche Nachteile zu erlangen.

 

Rz. 3

Die Steuerbefreiung auf der Wertschöpfungsstufe des Personenzusammenschlusses führt nur bei diesem zum Verlust des Vorsteuerabzugs bei eigenen Eingangsumsätzen. Der Umsatz an das jeweilige Mitglied des Zusammenschlusses bleibt für dieses trotz des prinzipiellen Ausschlusses des Vorsteuerabzugsrechts bei eigenen Eingangsumsätzen umsatzsteuerlich kostenneutral.

[1] In der Literatur werden diese häufig auch als sog. Kostenteilungsgemeinschaften bezeichnet.
[2] Zum Anwendungsbereich der Steuerbefreiung vgl. Einführungsschreiben des BMF v. 19.7.2022, III C 3 – S 7189/20/10001 :001 (2022/0744072), BStBl I 2022, 1208.

1.2 Rechtsentwicklung

 

Rz. 4

§ 4 Nr. 29 UStG wurde durch Art. 12 Nr. 5 Buchst. h des Gesetzes v. 12.12.2019[1] erstmals in das UStG eingefügt[2], und zwar mWv 1.1.2020.[3]

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG wurde zum 1.1.2020 aufgehoben.[4] Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG wird ab 1.1.2020 für die nach dieser Vorschrift begünstigten Umsätze nach den Voraussetzungen von § 4 Nr. 29 UStG fortgeführt.

§ 4 Nr. 29 UStG steht in einem gewissen Konkurrenzzusammenhang mit § 2b Abs. 3 UStG.[5]

 

Rz. 5

Eine vergleichbare Vorschrift hatte es vorher (beschränkt auf Kooperationsleistungen im Gesundheitssektor) nur in Form von § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG i. d. F. bis 31.12.2019 (steuerfrei waren danach sonstige Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG bezeichneten Berufe oder Einrichtungen i. S. d. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG sind, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung der Tätigkeiten nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG oder § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG verwendet werden und die Gemeinschaft von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert) und davor in Form von § 4 Nr. 14 S. 2 UStG i. d. F. bis 31.12.2008 (steuerfrei waren danach auch die sonstigen Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in § 4 Nr. 14 S. 1 UStG bezeichneten Berufe sind, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach § 4 Nr. 14 S 1 UStG steuerfreien Umsätze verwendet werden) gegeben.[6]

 

Rz. 6

Der Bundesrat hatte bereits 2009 in seiner Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung[7] und 2010 in seiner Stellungnahme zu dem Entwurf des JStG 2010[8] die Einführung einer Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen von Personenzusammenschlüssen an ihre Mitglieder im Bereich des Banken- und Versicherungswesens für unmittelbare Zwecke ihrer steuerfreien Finanz- und Versicherungsumsätze (sog. Kreditfabriken, § 4 Nr. 29 UStG) gefordert. Die Bundesregierung hatte seinerzeit in ihrer Gegenäußerung im Gesetzgebungsverfahren zum JStG 2010 lediglich zugesagt, den Vorschlag zu prüfen. Zwar war die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 29 UStG im Vermittlungsverfahren für das JStG 2010 wieder aufgenommen worden. Danach sollten ab 1.1.2011 folgende Leistungen steuerfrei sein: sonstige Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder überwiegend steuerfreie Leistungen der in § 4 Nr. 8 UStG und / oder § 4 Nr. 10 UStG bezeichneten Art erbringen, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese sonstigen Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausführung von steuerfreien Leistungen der in § 4 Nr. 8 UStG und / oder § 4 Nr. 10 UStG bezeichneten Art verwendet werden und die Gemeinschaft von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert. Letztlich wurde die Steuerbefreiung aber doch nicht in das JStG 2010 aufgenommen.

 

Rz. 7

Die Einfügung von § 4 Nr. 29 UStG zum 1.1.2020 folgte der EuGH-Recht...

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