Rz. 13

Der Zweck der Steuerbefreiung nach der Richtlinienvorschrift liegt darin, Leistungen an Personen, die mit ihren Leistungen selbst befreit sind, auch zu befreien. Das Ziel der Steuerbefreiung ist zu vermeiden, dass jemand, der bestimmte Dienstleistungen anbietet, MwSt entrichten muss, wenn er genötigt ist, mit anderen Berufsausübenden im Rahmen einer gemeinsamen Struktur zusammenzuarbeiten, wobei diese Struktur die Tätigkeiten übernimmt, die zur Ausübung dieser Dienstleistungen erforderlich sind.[1]

Bei diesem EuGH-Verfahren ging es um einen Zusammenschluss von Einrichtungen im Bereich der Gesundheitsfürsorge, der gegen lediglich kostendeckendes Entgelt Leistungen an seine Mitglieder erbrachte, die ihrerseits steuerbefreite Tätigkeiten auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge ausübten. Weil manche der Leistungen an die Mitglieder z. T. hinsichtlich Inhalt und Umfang der Leistungen unterschiedlich waren, war zweifelhaft, ob das noch von der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL gedeckt war oder ob die Steuerbefreiung voraussetzt, dass die Leistungen allen Mitgliedern gegenüber erbracht werden. Dem Wortlaut des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL lässt sich nach der EuGH-Entscheidung nicht entnehmen, dass die dort geregelte Steuerbefreiung nur für Dienstleistungen gilt, die selbstständige Zusammenschlüsse an alle ihre Mitglieder erbringen. Besteht ein selbstständiger Zusammenschluss aus zahlreichen Mitgliedern mit unterschiedlichen Bedürfnissen, so ist es auch durchaus möglich, dass die Leistungen, die er ihnen erbringt, nicht grundsätzlich die gleichen sind. Eine Auslegung, die gleiche Leistungen an alle Mitglieder erforderte, liefe dem Zweck der Regelung entgegen. Die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL kommt somit auch für Dienstleistungen in Betracht, die von Zusammenschlüssen, die in den subjektiven Anwendungsbereich der Vorschrift fallen, gegenüber ihren Mitgliedern erbracht werden, selbst wenn diese Dienstleistungen nur einem oder mehreren Mitgliedern erbracht werden. Auch bei unterschiedlichen Leistungen an die Mitglieder kann nach der EuGH-Entscheidung der genaue Anteil an den Ausgaben, der jeder einzelnen Dienstleistung zuzuordnen ist, ermittelt werden und ist die Prüfung möglich, ob damit lediglich kostendeckende Gegenleistungen verlangt werden.

 

Rz. 14

Der eigentliche Vorteil der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL liegt in der Möglichkeit, eine echte Wertschöpfung auf der Stufe der Leistung an die Mitglieder nicht besteuern zu müssen (der bloße Preisaufschlag wäre schädlich) oder als zusammengeschlossene "Einkaufsgemeinschaft" der Mitglieder Rabatte und Preisvorteile zu erzielen. Die Befreiung kann abgelehnt werden, wenn eine reale Gefahr besteht, dass die Begünstigung für sich genommen unmittelbar oder in der Zukunft zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann.[2] Bei diesem EuGH-Verfahren ging es um die Frage, ob die Leistung einer Vereinigung dänischer Versicherungsgesellschaften für die angeschlossenen Mitglieder in Versicherungsfällen die Höhe der Schäden festzustellen, ein nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 132 Abs. 1 Bucht. f MwStSystRL) steuerfreier Umsatz oder ein steuerfreier Versicherungsumsatz i. S. v. Art. 13 Teil B Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie ist. Der EuGH entschied, dass die Steuerbefreiung der Dienstleistungen der Vereinigung selbst nach (jetzt) Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL und nicht der Umstand, dass die Vereinigung den Tatbestand der Vorschrift im Übrigen erfüllt, geeignet sein muss, Wettbewerbsverzerrungen hervorzurufen, die zu einer Versagung der Steuerbefreiung führen würden. Die Befreiung ist bereits in Fällen potenzieller Wettbewerbsverzerrungen ausgeschlossen. Im Übrigen haben die Mitgliedstaaten nach dem Urteil die Möglichkeit, die Steuerbefreiung zeitlich zu begrenzen, wenn zweifelhaft ist, ob die Befreiung zu einem späteren Zeitpunkt eine Wettbewerbsverzerrung hervorrufen kann. Hat der Mitgliedstaat die Steuerbefreiung gewährt, muss sie allerdings so lange beibehalten werden, wie der Betreffende den Tatbestand der Regelung erfüllt.

[1] Vgl. EuGH v. 11.12.2008, C-407/07, Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing, BFH/NV 2009, 337; zur steuersystematischen Wirkung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL vgl. auch Ismer/Piotrowski/Reiß, MwStR 2017, 345.
[2] EuGH v. 20.11.2003, C-8/01, Taksatorringen, BFH/NV 2004, 122.

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