Rz. 48

In einem bestimmten Sachverhalt hatte die Finanzverwaltung[1] früher bei grenzüberschreitenden Lieferungen innerhalb der Europäischen Union im Rahmen einer Vereinfachungsregelung es dem Unternehmer ermöglicht, anstelle von Lieferungen im Ausgangsmitgliedstaat die Lieferungen im Bestimmungsstaat der Besteuerung zu unterwerfen und diesen Lieferungen ein innergemeinschaftliches Verbringen vorzuschalten. Diese Vereinfachungsregelung führte bei Einführung des Binnenmarkts sinngemäß die Ergebnisse des § 3 Abs. 8 UStG fort, bei denen sich der Ort einer Lieferung in das Inland verlagert, wenn der Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in das Inland gelangt und der Lieferer oder sein Beauftragter der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist. In Anwendung der Vereinfachungsregelung war es auch nach Einführung des Binnenmarkts dem Lieferer möglich, die Lieferung steuerbar und steuerpflichtig im Bestimmungsland gegenüber dem Leistungsempfänger auszuführen.

 

Rz. 49

Die Vereinfachungsregelung setzte grundsätzlich voraus, dass der liefernde Unternehmer den Liefergegenstand in den Bestimmungsmitgliedstaat an den Abnehmer befördert, Versendungslieferungen oder die Fälle der Abholung waren von der Anwendung der Vereinfachungsregelung ausgeschlossen. Darüber hinaus mussten die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Lieferungen wurden regelmäßig an eine größere Zahl von Abnehmern im Bestimmungsland ausgeführt.
  • Bei entsprechenden Lieferungen aus dem Drittlandsgebiet wären die Voraussetzungen für eine Verlagerung des Orts der Lieferung in das Gemeinschaftsgebiet nach § 3 Abs. 8 UStG erfüllt.
  • Der liefernde Unternehmer behandelte die Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat als steuerbar. Er wurde bei einem FA des Bestimmungsmitgliedstaats für Umsatzsteuerzwecke geführt. Er gab in den Rechnungen seine USt-IdNr. des Bestimmungsmitgliedstaats an.
  • Der Unternehmer hatte die Anwendung dieser Vereinfachungsregelung zu beantragen. Die beteiligten Steuerbehörden im Ausgangs- und Bestimmungsmitgliedstaat waren mit dieser Behandlung vor deren erstmaliger Anwendung einverstanden.
 
Praxis-Beispiel

Fiktion des innergemeinschaftlichen Verbringens (bis 2018)

Pommes-Produzent P produzierte in 2018 in Deutschland Pommes Frites und verkaufte diese regelmäßig auch an Unternehmer im grenznahen Bereich nach Österreich. Wenn die Bestellungen seiner Stammkunden eingegangen waren, fuhr er regelmäßig – mehrmals in der Woche – die Pommes zu seinen Kunden nach Österreich.

Da im Moment des Beginns der Beförderung die Kunden feststanden, waren die Lieferungen nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG in Deutschland ausgeführt. Soweit die Voraussetzungen für die innergemeinschaftliche Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG und § 6a UStG vorlagen, waren die Lieferungen in Deutschland steuerfrei. Korrespondierend damit mussten seine Kunden in Österreich innergemeinschaftliche Erwerbe besteuern. Die Warenlieferungen waren von P unter den USt-IdNrn. der Kunden in der Zusammenfassenden Meldung anzugeben.

Bis 31.12.2018 konnte P – bei Zustimmung der deutschen und österreichischen Finanzverwaltungen – beantragen, die gesamte Warenmenge im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Verbringens[2] zu erfassen und dann die Pommes wie eine inländische österreichische Lieferung mit österreichischer Umsatzsteuer abzurechnen. In diesem Fall wurde auch das innergemeinschaftliche Meldeverfahren entlastet, da anstelle der Vielzahl von innergemeinschaftlichen Lieferungen nur der eine Umsatz aus dem innergemeinschaftlichen Verbringen (der gesamten Warenmenge eines Meldezeitraums) zu melden war. Der Kunde in Österreich war in diesem Fall auch von dem Aufwand der Erfassung des innergemeinschaftlichen Erwerbs befreit.

 

Rz. 50

Die Finanzverwaltung[3] hat die Vereinfachungsregelung[4] zur Annahme eines innergemeinschaftlichen Verbringens in diesen Fällen aufgehoben. Begründet wurde dies mit der Vermeidung des Risikos eines Steuerausfalls. Steht der Kunde schon bei Beginn des Transports fest und geht die Verfügungsmacht auf ihn über, ist zwingend im Ausgangsmitgliedstaat eine steuerbare, aber dann unter den allgemeinen Bedingungen ggf. steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung anzunehmen. Der Käufer hat in diesen Fällen einen innergemeinschaftlichen Erwerb der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat zu unterwerfen, wenn die Voraussetzungen des § 1a UStG erfüllt sind. Die Finanzverwaltung beanstandete es für alle vor dem 1.1.2019 ausgeführten Umsätze nicht, wenn noch die Vereinfachungsregelung angewendet wurde.

[1] Abschn. 1a.2 Abs. 14 UStAE a. F. – aufgehoben zum 31.12.2018 durch BMF v. 23.4.2018, BStBl I 2018, 638.
[2] In Deutschland würde dies dann als Lieferung nach § 3 Abs. 1a UStG gelten und in Österreich zu einem innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a Abs. 2 UStG führen.
[4] Früher in Abschn. 1a.2 Abs. 14 UStAE a. F. enthalten.

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