Rz. 9

Reihengeschäfte, die zur Anwendung des § 3 Abs. 6a S. 1 UStG führen, liegen nur dann vor, wenn dem letzten Abnehmer unmittelbar Verfügungsmacht am gelieferten Gegenstand verschafft wird. Die Beförderung oder Versendung kann durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten durchgeführt werden. Ein unmittelbares Gelangen an den letzten Abnehmer liegt auch dann vor, wenn bei einer Versendung mehrere selbstständige Beauftragte (z. B. Spediteure, Frachtführer, Verfrachter) eingeschaltet sind (gebrochenes Reihenversendungsgeschäft). Entscheidend ist allein, dass Auftraggeber bei Beginn der Beförderung bzw. Versendung alles Erforderliche getan hat, um den Gegenstand an den bereits feststehenden letzten Abnehmer gelangen zu lassen. Schädlich für die Annahme eines unmittelbaren Gelangens ist es z. B., wenn ein weiterer Lieferer in der Reihe den Weiterlieferungsauftrag an den Letztabnehmer erteilt hat.[1]

 

Rz. 10

Reihengeschäfte können auch in den Fällen der sog. Umkartierung (Umadressierung) vorliegen, allerdings nur dann, wenn die maßgeblichen Beförderungen durch einen beteiligten Unternehmer veranlasst werden.

 

Beispiele

Umkartierung rollender Ware:

  • Wird bei einem Importgeschäft der vom Vorlieferer V im Drittlandsgebiet abgesandte Gegenstand durch den Importeur I (Lieferer) zu dessen Abnehmer A umgeleitet, ist der Ort der Lieferung des I dort, wo der beauftragte Spediteur S den Gegenstand tatsächlich umkartiert (= umadressiert). Geschieht dies auf der inländischen Grenzstation, liegt der Lieferort im Inland, geschieht es vor Überschreiten der Grenze, liegt er im Ausland. Es handelt sich nicht um ein Reihenversendungsgeschäft, sondern um zwei getrennte Versendungsvorgänge.[2] Der ersten Versendung der Ware (von V beauftragt und durchgeführt), die mit Übergabe an S endet, folgt eine zweite, von I veranlasste Versendung (durch S bis zum Abnehmer A).
  • Großhändler G bezieht Waren von seinem Vorlieferer V im Drittlandsgebiet, der sie durch den ausländischen Beförderer B an den von G beauftragten inländischen Grenzspediteur S versendet. Noch während sich die rollenden Waren im Drittlandsgebiet befinden beauftragt G den S, die Waren nicht an ihn, sondern an seinen inländischen Abnehmer A zu leiten. Beim Eintreffen der Waren im ausländischen Grenzort nimmt S die entsprechenden Papiere (Frachtbriefe, Ladepapiere) im Empfang und beginnt gleichzeitig mit der Verzollung und Umadressierung der Waren. Die körperliche Übergabe der Ware durch B an S erfolgt im inländischen Grenzort bei S.

    G hat im Inland steuerbare Lieferungen bewirkt, weil der Ort, an dem G dem S die Waren zur Versendung übergeben hat, im Inland liegt.[3] Beide Lieferungen, die des V an G und die des G an A, sind bezüglich der Ortsbestimmung gesondert zu beurteilen. Es handelt sich nicht um ein Reihengeschäft i. S. d. § 3 Abs. 6 S. 5 UStG, da der erste Unternehmer V die Beförderung der Ware an den Abnehmer A nicht selbst veranlasst hat. Es liegen vielmehr zwei Versendungslieferungen vor, deren Ort jeweils nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG zu bestimmen ist:

    • V an G: Ort im Drittlandsgebiet (Beginn der Versendung)
    • G an A: Ort im Inland (Beginn der Versendung am inländischen Grenzort).
[1] FG Baden-Württemberg v. 2.12.1982, III 424/79, EFG 1983, 378.
[2] BFH v. 20.12.1957, V 215/57 U, BStBl III 1958, 90; BFH v. 9.4.1963, V 179/60, HFR 1963, 276.
[3] BFH v. 15.10.1964, V 43/62, UR 1965, 245.

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