Rz. 1

Die Vorschrift wurde durch das Jahressteuergesetz 2020[1] in das Umsatzsteuergesetz als Teil einer umfassenden Neuregelung zum elektronischen Geschäftsverkehr im Rahmen des s.g. Mehrwertsteuer-Digitalpakets eingefügt. Sie ist erstmals auf Umsätze und Einfuhren anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 ausgeführt werden (§ 27 Abs. 34 UStG).

 

Rz. 2

Durch die Einführung von § 3 Abs. 3a UStG wird Art. 2 Nr. 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2017/2455 des Rates vom 5.12.2017 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG und der Richtlinie 2009/132/EG in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen (ABl. L 348 v. 29.12.2017, S. 7) in der Fassung der Berichtigung vom 27.7.2018 (ABl. L 190 v. 27.7.2018, S. 21), mit dem Art. 14 Abs. 4 angefügt und Art. 14a der Richtlinie 2006/112/EG neu eingefügt wurden, umgesetzt.

 

Rz. 3

Dabei regelt § 3 Abs. 3a S. 1 UStG Lieferungen, bei denen ein Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle (Betreiber) die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen in § 3a Abs. 5 S. 1 UStG bezeichneten Empfänger unterstützt. § 3 Abs. 3a S. 2 UStG sieht eine entsprechende Regelung für Drittstaatenfälle vor, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle (Betreiber) den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt.[2]

 

Rz. 4

Die Vorschrift fingiert damit eine von den zivilrechtlichen Verträge abweichende Lieferkette. Während tatsächlich lediglich ein einziges Verkaufsgeschäft vorliegt, werden für umsatzsteuerliche Zwecke zwei Lieferungen fingiert, indem eine (erste) Lieferung von dem Drittland-Unternehmer an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle sowie eine (zweite) Lieferung von dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle an den Enderwerber angenommen werden.[3]

 
Wichtig

Der im Drittland ansässige Unternehmer U verkauft über die von B betriebene elektronische Schnittstelle Waren im Sachwert von unter 150 EUR an den im Inland ansässigen Nichtunternehmer N.

Zivilrechtlich liegt ein Kaufvertrag nach §§ 433ff. BGB zwischen U und N vor.

Umsatzsteuerrechtlich wird B beim Vorliegen der Voraussetzungen von § 3 Abs. 3a UStG fiktiv so gestellt, als ob er die Lieferung des über seine elektronische Schnittstelle tätigen Drittland-Unternehmers (U) selbst erhalten und als ob er diese Lieferung selbst an den Kunden des Unternehmers (K) ausgeführt hätte. Damit wird umsatzsteuerlich eine Lieferung von U an B sowie eine Lieferung von B an N fingiert.

 

Rz. 5

Es liegt damit eine § 3 Abs. 3 UStG (Kommissionsgeschäft) vergleichbare Situation vor. Auch dort wird eine vom Zivilrecht abweichende Lieferkette fingiert (vgl. Kommentierung zu § 3 Abs. 3 UStG Rz. 6ff.). Im Unterschied zum Kommissionsgeschäft nach § 3 Abs. 3 UStG liegt aber kein Kommissionsgeschäft vor, sondern ein Unterstützen des zivilrechtlichen Kaufvertrags (vgl. dazu Rz. 16ff.).

 

Rz. 6

Durch fingierte Lieferungen wird damit die Einbeziehung von Betreibern elektronischer Schnittstellen in den unter § 3 Abs. 3a UStG fallenden Onlinehandel geregelt. Für bis zum 30.6.2021 ausgeführte Umsätze wurden die Betreiber elektronischer Schnittstellen nicht in die Lieferkette einbezogen, sondern hafteten ggf. nach § 25e UStG in der bis zum 30.6.2021 geltenden Fassung. Durch die Einführung von § 3 Abs. 3a UStG ist der Anwendungsbereich von § 25e UStG in der ab dem 1.7.2021 geltenden Fassung erheblich eingeschränkt worden (vgl. dazu Kommentierung zu § 25e UStG Rz. 62e).

 

Rz. 7

Nach der Intention des Gesetzgebers soll das Umsatzsteuergesetz durch § 3 Abs. 3a UStG an die Entwicklung der massiven Zunahme des elektronischen Geschäftsverkehrs angepasst werden, wobei die Notwendigkeit, die Steuereinnahmen der Mitgliedstaaten zu schützen, gleiche Ausgangsbedingungen für die betreffenden Unternehmen zu schaffen und deren Verwaltungsaufwand zu verringern, berücksichtigt wird.[4] Im Kern geht es um die Verlagerung der Steuerschuld auf die Betreiber elektronischer Schnittstellen, bei denen sowohl die Identifizierung als Unternehmer an sich als auch ein fiskalischer Zugriff erfolgversprechender als bei Unternehmern im Drittland ist.[5]

 

Rz. 8

Aufgrund des zivilrechtlichen Kaufvertrags zwischen dem nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers und dem Endverbraucher wäre auch der Vollzug des Zahlungsverkehrs grundsätzlich zwischen diesen Personen anzunehmen; eine zivilrechtliche Beteiligung des Betreibers des elektronischen Marktplatzes in die Abwicklung der Kaufpreiszahlung ist dabei nicht geboten. Im Hinblick auf die durch § 3 Abs. 3a UStG bestehende Steuerschuld des Betreibers besteht für diesen aber ein faktisches Bedürfnis, den Zahlungsverkehr über die Schnittstelle abzuwickeln und dies mit dem Drittlands-Unternehmer und dem Endverbraucher vertraglich zu verei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge