Rz. 35

Sowohl der Leistungsort (Rz. 30f.) als auch die geschuldete Umsatzsteuer (Rz. 32ff.) müssen zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, damit ein Einzweck-Gutschein angenommen werden kann. Deshalb sind nachträgliche Änderungen dieser Umstände (z. B. Rz. 34) irrelevant. Die sich aus dem Vorhandensein eines Einzweck-Gutscheins ergebenden Rechtsfolgen entfallen damit nicht nachträglich. Neben der für die Besteuerung notwendigen Definition eines (prüfbaren) Zeitpunkts für die Entstehung der durch die Fiktion vorverlagerten Umsatzbesteuerung kann insoweit auch auf eine indirekte Regelung zur Missbrauchsvermeidung geschlussfolgert werden. Denn anderenfalls könnten nach dem Zeitpunkt der Ausstellung die ursprünglich vorliegenden Voraussetzungen des Einzweck-Gutscheins bewusst verändert werden.

 

Rz. 36

Umgekehrt kann ein im Zeitpunkt der Ausstellung als Mehrzweck-Gutschein zu qualifizierender Gutschein nicht durch nachträglich veränderte Bedingungen, die die Voraussetzungen des § 3 Abs. 14 UStG erfüllen, in einen Einzweck-Gutschein umqualifiziert werden.

 

Rz. 36a

Die Umsatzsteuer für die durch den Einzweck-Gutschein geschuldete Leistung entsteht bei Besteuerung nach vereinbarten Entgelten im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins. Wird ein Gutschein vor Ausgabe an einen anderen Unternehmer übertragen, entsteht die Umsatzsteuer insoweit im Übertragungszeitpunkt. Die spätere Gutscheineinlösung, also die tatsächliche Lieferung bzw. Leistungserbringung, ist für die umsatzsteuerliche Würdigung nicht mehr relevant, da diese nicht als unabhängiger Umsatz gilt. Sollte eine Zuzahlung durch den Gutscheininhaber bei Einlösung des Gutscheins erfolgen, so ist lediglich die bislang noch nicht versteuerte Differenz zu versteuern.[1]

 

Rz. 36b

Besonderheiten ergeben sich bei Vertriebsketten (Handeln im fremden Namen), wenn ein Unternehmer Einzweck-Gutscheine im fremden Namen ausgibt und dadurch Teil der Leistungskette wird. In diesem Fall ist die Ausgabe des Gutscheins an den Kunden als Leistung desjenigen anzusehen, in dessen Namen der Unternehmer handelt.[2]

In diesen Fällen muss der ausgebende Unternehmer dem leistenden Unternehmer zur fristgerechten Versteuerung mitteilen, zu welchem Zeitpunkt Einzweck-Gutscheine an Kunden ausgegeben wurden, da der leistende Unternehmer zu diesem Zeitpunkt die fiktiv erbrachte Leistung zu versteuern hat. Der leistende Unternehmer hat als Bruttowert den vom Vermittler vereinnahmten und ggf. vom zwischen den Unternehmern vertraglich vereinbarten Preis anzusetzen. Der ausgebende Unternehmer erbringt dadurch eine Vermittlungsleistung[3]

 
Praxis-Beispiel

Der Unternehmer B betreibt ein Gutscheinportal, auf dem er Büchergutscheine im Namen und für Rechnung des Buchhändlers A anbietet. Diese Gutscheine können in dem Buchladen des A eingelöst werden. B hat mit A vereinbart, im Falle eines ausgegebenen Gutscheins 20 % des Gutscheinwerts als Vermittlungsprovision einzubehalten und den Rest an A weiterzuleiten. B erstellt gegenüber A monatliche Abrechnungen über die veräußerten Gutscheine und gibt diese zusammen mit seiner eigenen Provisionsabrechnung an A weiter. Kunde C erwirbt im Januar 01 einen Büchergutschein des A auf der Internetseite des B. C bezahlt hierfür 10 EUR an B. A muss im Januar 01 für den Verkauf eines Buchs 10 ÉUR abzüglich 7 % USt versteuern. B muss für die Vermittlung des Gutscheins 2 EUR abzüglich 19 % USt versteuern.[4]

 

Rz. 36c

Sollte ein Einzweck-Gutschein vom Gutscheininhaber nicht eingelöst werden (z. B. weil dessen Gültigkeitsdauer abgelaufen ist) und somit verfallen, ergeben sich hieraus allein keine weiteren umsatzsteuerlichen Folgen, da die ursprüngliche (fiktive) Leistung bereits bei Übertragung bzw. Ausgabe des Gutscheins als erbracht gilt und demzufolge in diesem Zeitpunkt zu versteuern ist. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG kommt nur dann in Betracht, wenn das Entgelt ausnahmsweise zurückgezahlt wird.[5] Wird ein Einzweck-Gutschein dagegen zurückgegeben und erhält der Kunde den Gutscheinwert zurückerstattet, so wird der ursprüngliche Umsatz rückgängig gemacht. Die Umsatzsteuer ist in diesem Fall nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG beim Gutscheinaussteller, beim leistenden Unternehmer sowie ggf. beim Kommissionär zu berichtigen.[6]

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