Rz. 41

Nach Abs. 2 Nr. 1 liegen Wettbewerbsverzerrungen allgemein dann nicht vor, wenn der im Kj. mit gleichartigen Tätigkeiten erbrachte[1] Umsatz der jPöR voraussichtlich 17.500 EUR jeweils nicht übersteigen wird. Damit soll die umsatzsteuerliche Erfassung von Bagatelltätigkeiten vermieden werden. Die Höhe des Schwellenwerts ist erkennbar dem § 19 UStG a. F. entlehnt, dessen Betragsgrenze 17.500 EUR betrug[2], die Regelung hat aber einen gänzlich anderen Inhalt. Während nämlich die Kleinunternehmergrenze nach § 19 UStG einen unternehmensbezogenen Wert darstellt, bei deren Nichtüberschreiten eine Besteuerung des Unternehmers auf Antrag entfallen kann, bezieht sich die Wettbewerbsgrenze des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG auf gleichartige Tätigkeiten der jPöR. Wird insoweit die quantitative Wettbewerbsgrenze jeweils voraussichtlich nicht überschritten, geht das Gesetz unwiderlegbar davon aus, dass dann für die jeweiligen Tätigkeiten insoweit keine größeren Wettbewerbsverzerrungen vorliegen. Die Regelung ist damit nicht optional. Wegen des Tätigkeitsbezugs kann die Wettbewerbsgrenze des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG bei der jPöR mehrfach zu berücksichtigen sein. Die quantitative Wettbewerbsgrenze setzt dogmatisch auf der tätigkeitsbezogenen Beurteilung der Rechtsprechung (Rz. 12) auf und verknüpft diese mit der gesetzlichen Wertung der Kleinunternehmerregelung, die etwaige Wettbewerbsbeeinträchtigungen durch eine Nichtbesteuerung von Umsätzen eines Unternehmers bis zum Erreichen der Kleinunternehmerschwelle zugunsten der Verwaltungsvereinfachung als hinnehmbar erachtet. Kleinunternehmer werden aber i. d. R. nur in einem kleinen Marktsegment mit meist nur einer bestimmten Art von Umsätzen tätig. Die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG wirkt daher in der Praxis typischerweise nur bezogen auf eine bestimmte Art von Tätigkeiten. Es erscheint daher gerechtfertigt, die Wertung der Kleinunternehmerregelung auf die Wettbewerbsprüfung zu übertragen und größere Wettbewerbsverzerrungen an einer tätigkeitsbezogenen quantitativ-typisierenden Umsatzgrenze zu messen und damit segmentiert zu beurteilen. Vor dem Hintergrund einer solchen dogmatischen Herleitung der quantitativen Wettbewerbsgrenze steht ihr die BFH-Rechtsprechung[3] zur Unbeachtlichkeit der aus dem Körperschaftsteuerrecht übernommenen absoluten Geringfügigkeitsgrenze von 30.678 EUR[4] nicht unmittelbar entgegen.[5] Denn dabei handelt es sich um eine auf den Betrieb gewerblicher Art bezogene absolute Umsatzgrenze zur Feststellung dessen wirtschaftlichen Gewichts und nicht um eine tätigkeitsbezogene Typisierung der Unbedeutendheit einer Wettbewerbsbeeinträchtigung. Folglich wäre im Zuge der Anhebung der Kleinunternehmergrenze des § 19 UStG zum 1.1.2020 auch eine betragsidentische Anhebung der Wettbewerbsgrenze denkbar gewesen; der Gesetzgeber hat darauf aber bislang verzichtet, sodass beide Vorschriften nun eindeutig auseinanderlaufen.

 

Rz. 42

Die Anwendung der quantitativen Wettbewerbsgrenze ist allein von einer Prognose des Jahresumsatzes abhängig. Der Betrag von 17.500 EUR bezieht sich auf die prognostizierte Summe der von der jPöR für die betreffende Leistung vereinnahmten Beträge. Im Unterschied zu § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG ist diese nach dem Gesetzeswortlaut nicht um die USt zu erhöhen. Eine retrospektive Feststellung, ob die Höhe der getätigten Umsätze tatsächlich unterhalb der Grenze geblieben ist, wird nach § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG – auch insoweit weicht die Regelung von § 19 UStG ab – nicht verlangt. Das entbindet die jPöR freilich nicht von einer sachgerechten Schätzung der zu erwartenden Einnahmen, die auch einer späteren Überprüfung durch das Finanzamt zugänglich ist. Mangels entsprechender gesetzlicher Anordnung[6] ist im Fall der unterjährigen Neuaufnahme einer von der quantitativen Wettbewerbsgrenze erfassten Tätigkeit im Rahmen der Prognose keine Hochrechnung auf einen Jahresumsatz vorzunehmen, sondern nur auf die zu erwartenden Umsätze im Rumpfjahr abzustellen. Dies lässt sich damit begründen, dass die Grenze des § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG lediglich der typisierenden Feststellung einer durch die entsprechende Tätigkeit verursachten Wettbewerbsverzerrung im Vergleich zu einem privaten Leistungserbringer dient; dazu bedarf es nicht der Berücksichtigung von Zeiträumen, in denen die entsprechende Tätigkeit noch gar nicht ausgeübt worden ist.

 

Rz. 43

Die Maßstäbe, an denen die Gleichartigkeit der Tätigkeiten zu messen ist, sind weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Auch hier dürfte aber – wie bei der Frage der Wettbewerbsrelevanz (Rz. 31ff.) – auf die Befriedigung derselben Bedürfnisse aus Empfängersicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen sein.[7] Betreibt z. B. eine Gemeinde eine Sport- und Mehrzweckhalle, die u. a. für den Schulsport genutzt wird, und überlässt diese (auf öffentlich-rechtlicher Grundlage) auch an Vereine für Sportzwecke und an private Dritte für Veranstaltungen, handelt es sich hierbei m. E. nicht um gleichartige Tätigkeiten, ...

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