Rz. 11

Ausgehend von den o. g. Vorgaben der MwStSystRL sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH, insbesondere in seinen Urteilen v. 16.9.2008, "Isle of Wight Council" zur Parkplatzüberlassung durch eine Kommune[1] und v. 4.6.2009, "SALIX Grundstücksvermietungsgesellschaft" zur Grundstücksvermietung an eine öffentlich-rechtlich verfasste Kammer[2], wurde das bisherige nationale Recht in zahlreichen jüngeren Entscheidungen des BFH als nicht (vollständig) vom Unionsrecht gedeckt eingestuft:

  • BFH v. 20.8.2009 zur Grundstücksvermietung (SALIX-Folgeurteil)[3],
  • BFH v. 20.8.2009 zu administrativen Leistungen[4],
  • BFH v. 15.4.2010 zur Gestattung einer Automatenaufstellung[5],
  • BFH v. 17.3.2010 zur Nutzung eines Werbemobils[6],
  • BFH v. 2.3.2011 zu einem kommunalen Zweckverband Wasserversorgung[7],
  • BFH v. 3.3.2011 zur Standplatzüberlassung[8],
  • BFH v. 10.11.2011 zur Überlassung einer Sporthalle als Beistandsleistung[9],
  • BFH v. 1.12.2011 zur Parkplatzüberlassung[10],
  • BFH v. 13.2.2014 zur Standplatzüberlassung[11],
  • BFH v. 19.3.2014 zur Schwimmbadverpachtung[12],
  • BFH v. 16.12.2015 zur Unterbringung und Verpflegung[13]
  • BFH v. 10.2.2016 zur Qualitätssicherung bei Krankenhäusern.[14]
 

Rz. 12

Der BFH hat in dieser zwischenzeitlich ständigen Rechtsprechung zur Umsatzbesteuerung von jPöR die bisherige Bindung des UStG an die KSt gelöst und eine eigenständige bereichsspezifische und unionsrechtskonforme Auslegung des § 2 Abs. 3 UStG entwickelt. Ob sich diese Auslegung, die den insoweit eigentlich klaren Gesetzeswortlaut doch sehr strapaziert, noch im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Gesetzes bewegt, wird in der Literatur mit beachtlichen Gründen bezweifelt.[15] Ungeachtet dessen können aus der Rechtsprechung jedenfalls folgende für die Besteuerung jPöR maßgebenden Prinzipien abgeleitet werden:

  • erforderlich ist eine tätigkeits- statt einrichtungsbezogene Betrachtung: wirtschaftliche Tätigkeiten von jPöR sind damit grundsätzlich zu versteuern;
  • eine jPöR hat umsatzsteuerrechtlich nur einen einheitlichen Unternehmensbereich;
  • wirtschaftliche Tätigkeiten auf öffentlich-rechtlicher (hoheitlicher) Grundlage sind von der Steuerbarkeit ausgenommen, wenn diese zu keinen oder nur zu unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen gegenüber vergleichbaren Leistungen privater Mitbewerber führen;
  • handelt die jPöR dagegen auf privatrechtlicher Grundlage, kommt es für die Steuerbarkeit auf weitere Voraussetzungen nicht an, weil sich die jPöR insoweit wie ein Privater am Markt betätigt;
  • Vermögensverwaltung ist grundsätzlich steuerbar;
  • dem Begriff Beistandsleistung kommt umsatzsteuerlich keine Bedeutung zu;
  • ertragsteuerliche Geringfügigkeitsgrenzen (insbesondere die Grenze von 35.000 EUR gem. R. 4.1. KStR, früher 30.678 EUR ) haben umsatzsteuerlich keine Bindungswirkung;
  • originär hoheitliche Tätigkeiten von jPöR (Verwaltungshandeln) bleiben unversteuert.
[1] EuGH v. 16.9.2008, C-288/07, Isle of Wight Council, UR 2008, 816.
[2] EuGH v. 4.6.2009, C-102/08, SALIX Grundstücksvermietungsgesellschaft, UR 2009, 484.
[15] Kritisch dazu Widmann, BB 2010, 2088 (2093), Englisch, UR 2013, 570 (573) m. w. N., ders., Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl. 2013, § 17 Rn. 56; ablehnend Stadie, Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 UStG Rz. 1152; vgl. auch Gröpl, Zukiwski, MwStR 2014, 77 (83).

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