Rz. 50

Der Tatbestand des § 26a Abs. 1 UStG steht in seinem zweiten Bestandteil im unmittelbaren Zusammenhang mit den in § 18 Abs. 1 S. 4 und Abs. 4 S. 1 oder 2 UStG oder 2, Abs. 4c S. 2, Abs. 4e S. 4 oder Abs. 5a S. 4 UStG sowie der neu zum 1.7.2021 eingeführten § 18i Abs. 3 S. 3, § 18j Abs. 4 S. 3 oder § 18k Abs. 4 S. 3 UStG genannten Pflichten zur Entrichtung der geschuldeten USt oder zur Zahlung der Vorauszahlung bei Fälligkeit. Die "Nichtzahlung"wird erst relevant, wenn ein bestimmter gesetzlich festgelegter Zeitpunkt zur Zahlung verstrichen ist. Die Fälligkeit der Steuer und ihre fehlende Bezahlung sind Tatbestandsvoraussetzungen, welche den Anwendungsbereich des § 26a Abs. 1 UStG allerdings unter Umständen schmälern können.

 

Rz. 51

Zuerst ist hier festzustellen, welcher Steuerbetrag überhaupt an die Finanzbehörde zu entrichten ist, denn nur dieser Betrag wird auch zur Zahlung fällig. Die geschuldete Steuer berechnet sich gem. § 16 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 1 UStG nach den im Besteuerungszeitraum vereinbarten Entgelten abzüglich der nach § 15 Abs. 1 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge, es handelt sich mithin um ein Rechenergebnis. Der Unternehmer meldet also nicht die Summe der in seinen Rechnungen nach § 14 UStG ausgewiesenen USt als Steuerschuld an, sondern das Ergebnis seiner selbst erstellten Steuerberechnung als Umsatzsteuerzahllast (deren Ergebnis auch ein Guthaben sein kann). Sollte das Ergebnis Null betragen oder zu einem Erstattungsanspruch führen, kann also nicht ohne Weiteres von einer Schädigung des Umsatzsteueraufkommens gesprochen werden.[1] Der in einer oder mehreren Rechnungen ausgewiesene Steuerbetrag entspricht demnach i. d. R. nicht dem zur Bezahlung fällig werdenden Betrag.

 

Rz. 52

Insoweit war bei der alten Regelung des § 26b UStG weiter zu fragen, mit welchen Steuerbeträgen denn die vorhandenen Vorsteuerbeträge verrechnet werden, vor allem wenn der Unternehmer (pflichtwidrig) nicht für alle seine Leistungen Rechnungen ausgestellt hat – etwa weil er auch an Endverbraucher geleistet hat –, diese Umsätze dann aber pflichtgemäß erklärt und im Anschluss daran die errechnete Steuerschuld nicht zahlen kann. Hier bedurfte es wohl bei der alten Regelung des § 26b UStG einer besonderen Berechnung, die nach einem "Günstigkeitsprinzip" zunächst die in Rechnungen ausgewiesenen Steuerbeträge berücksichtigte.[2] Diese m. E. zutreffende Lösung stellte allerdings die Rechtfertigung des alten § 26b UStG infrage, denn dadurch wurde derjenige bevorzugt, der lediglich seine Umsatzsteuerzahllast verringerte. Bei dem seit dem 1.7.2021 geltenden § 27a Abs. 1 UStG bedarf es zwar keiner in einer Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer mehr, dennoch verbleibt es dabei, dass sich die zu zahlende Umsatzsteuer aus einem Rechenergebnis ergibt. Der Tatbestand des § 26a Abs. 1 UStG greift demnach erst in solchen Fällen, in denen die Summe der in Rechnungen ausgewiesenen USt höher ist als die der anrechenbaren Vorsteuerabzugsbeträge.[3] Allerdings wird der Fall des "klassischen" missing traders damit i. d. R. auch von § 26a Abs. 1 UStG grundsätzlich erfasst – und das ist nach dem Gesetzeszweck ja der eigentliche Anwendungsbereich der Regelung –, denn diesem obliegt zumeist eine Umsatzsteuerzahllast.

 

Rz. 53

Weitere Voraussetzung zur Verwirklichung des Tatbestands des § 26a Abs. 1 UStG ist, dass die Fälligkeitszeiträume der dort genannten Vorschriften überschritten worden sind. Hierzu sieht das Gesetz seit dem 1.7.2021 sechs Regelungen vor, von den die drei ersten in der Praxis am häufigsten vorkommen:

  • Bei Umsatzsteuer-Voranmeldungen sind die Zahlungen am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig und zu entrichten[4], wobei zu beachten ist, dass vielen Unternehmern bei der Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen eine einmonatige Dauerfristverlängerung nach §§ 46ff. UStDV eingeräumt ist;
  • Zahlungen aus Umsatzsteuer-Jahresanmeldungen sind einen Monat nach Eingang der Anmeldung beim FA fällig und zu entrichten[5];
  • sollte die USt durch Steuerbescheid festgesetzt worden sein, ist die daraus geschuldete Steuer einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheids fällig und zu entrichten.[6]
  • Für weitere besondere Besteuerungsverfahren sehen die Regelungen in den § 18 Abs. 4c S. 2, Abs. 4e S. 4 oder Abs. 5a S. 4, § 18i Abs. 3 S. 3, § 18j Abs. 4 S. 3 oder § 18k Abs. 4 S. 3 UStG jeweils gesonderte Fälligkeitsregelungen und entsprechende Entrichtungsgebote vor.

Wenn nun aus diesen Voranmeldungen oder Erklärungen geschuldete Zahlungen nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen der vorgenannten Fälligkeitsregelungen durch den Steuerpflichtigen erfolgen, dann ist der objektive Tatbestand des § 26a Abs. 1 UStG insoweit erfüllt. Hinzuweisen ist hier nochmals darauf, dass der Gesetzgeber mit dem JStG 2020[7] mWv 1.7.2021 in sämtlichen gesetzlichen Fälligkeitsregelungen sog. Entrichtungsgebote integriert hatte.

 

Rz. 54

Sollten die Fälligkeitszeitpunkte im Einzelfall durch eine Stundung nach § 222 AO hinausgeschoben worden sein, dann fehlt es bereits a...

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