Rz. 51

Weist der Unternehmer nach, dass die nach § 25d Abs. 2 S. 1 oder 2 UStG die Fiktion ergebende Preisgestaltung betriebswirtschaftlich begründet ist, soll die Fiktion widerlegt bzw. sollen die Indizien entkräftet sein.[1] Die Vorschrift lässt die Widerlegung bzw. Entkräftung ausschließlich mit der betriebswirtschaftlichen Begründung und ihrem Nachweis zu. Ein Entgegentreten mit anderen Begründungen soll damit abweichend von der Situation im umgekehrten Fall des Nachweises des Kennens bzw. Kennenmüssens durch die Finanzbehörde aufgrund anderer Tatsachen[2] anscheinend ausgeschlossen sein. Dies erscheint als ein schwerwiegender Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn der Ansatzpunkt der Fiktion bzw. der Indizien betrachtet wird, also das Kennenmüssen von den subjektiven Momenten beim Rechnungsaussteller und den Vorlieferanten. So wichtig und richtig die Bekämpfung der Karussellgeschäfte auch ist, darf mit so zweifelhaften Fiktionen wie vor allem im Fall des § 25d Abs. 2 S. 2 2. Altern. UStG ein in vielen Fällen gutgläubiger Unternehmer nicht in eine Haftung hineingezogen werden, indem für ihn ein Kennen bzw. Kennenmüssen fingiert wird, deren Grundlage er nicht kennt (Rz. 50).

 

Rz. 52

Das Anknüpfen an marktübliche Preise geht im Übrigen für viele Waren an der Wirtschaftswirklichkeit vorbei. Das Marktgeschehen ist in weiten Bereichen nicht mehr durch Marktüblichkeit, sondern durch Preisschlachten mit Verkäufen unter dem Einstandspreis gekennzeichnet. Der Kampf um Marktanteile, die Absicht der Verdrängung von Konkurrenten führt zu — häufig nur vorübergehenden — Niedrigpreisen. Ist der Unternehmer bedeutend genug, kann hieraus wiederum eine Marktüblichkeit entstehen. Unternehmern mit geringeren Umsätzen wird eine betriebswirtschaftliche Begründung zudem erheblich schwerer fallen als Großunternehmen .[3]

 

Rz. 53

Der Entlastungsbeweis muss vom Unternehmer erst dann geführt werden, wenn die Finanzbehörde die Voraussetzungen für eine Fiktion nach § 25d Abs. 2 S. 1 oder 2 UStG nachgewiesen hat. Die Finanzbehörde muss also zuerst nachweisen, dass die vom Unternehmer in Rechnung gestellten bzw. ihm berechneten Preise unter den marktüblichen Preisen gelegen haben oder unter den Einstandspreisen weitergeliefert worden sind. Hierbei dürfte die Finanzbehörde in vielen Handelszweigen große Schwierigkeiten haben.

 

Rz. 54

Erst wenn die Finanzbehörde den Nachweis eindeutig geführt hat, muss der Unternehmer den Widerlegungs- bzw. Entkräftungsnachweis führen. Er trägt dann das Risiko, wenn dieses nicht gelingt. Für seine eigene Preisgestaltung im Falle des § 25d Abs. 2 S. 1 UStG hat er die Kriterien seiner Preisbemessung darzulegen und zu begründen. Das hat in der Weise zu geschehen, dass eine sachverständige Person das nachvollziehen kann.[4] Bei der Preisgestaltung durch andere, also des Vorlieferanten und der Lieferanten davor, dürfte dem Unternehmer ein Nachweis zu deren Preisgestaltung meist nicht möglich sein. Blesinger[5] will in diesen Fällen geringere Anforderungen an den Entlastungsbeweis stellen. Das mag zwar für die Entkräftung in den Fällen des § 25d Abs. 2 S. 2 1. Altern. UStG zur Preisberechnung durch den Vorlieferanten ein richtiger Lösungsweg sein. Für die Fälle des § 25d Abs. 2 S. 2 2. Altern. UStG verhilft er jedoch dem Unternehmer nicht zu einer angemessenen Widerlegungsmöglichkeit. Wenn er über die Preisgestaltung bei den Vorlieferungen keine Kenntnis hat und haben kann, kennt er auch nicht die ungewöhnliche Preisgestaltung und auch nicht dadurch die Gefährdung der Zahlung der in Rechnung gestellten USt.[6]

[1] Blesinger, in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 25d UStG Rz. 64d.
[3] Vgl. zu dieser Problematik auch Nieskens, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 25d UStG Rz. 37.
[4] Blesinger, in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 25d UStG Rz. 64d.
[5] Blesinger, in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 25d UStG Rz. 64d.
[6] A. A. anscheinend Blesinger, in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 25d UStG Rz. 64d.

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