Rz. 5

Während zum allgemeinen Reihengeschäft keine eigenständigen Vorgaben in der MwStSystRL bis zur Schaffung des Art. 36a [1] zu finden sind, wurde das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft im Zusammenhang mit den Regelungen für den Europäischen Binnenmarkt zum 1.1.1993 besonders geregelt: Die Richtlinie 92/111/EWG v. 14.12.1992, sog. 1. Vereinfachungsrichtlinie[2], schuf – durch den neuen Art. 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie eine besondere Regelung für die Fälle, in denen drei Unternehmer aus drei verschiedenen EU-Mitgliedstaaten an einem Umsatzgeschäft beteiligt sind, das dadurch gekennzeichnet ist, dass der erste Unternehmer in der Reihe dem letzten (dritten) Unternehmer in der Reihe unmittelbar die Verfügungsmacht an dem von diesem beim zweiten Unternehmer in der Reihe bestellten Gegenstand verschafft. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Unternehmer an dem Reihengeschäft beteiligt sind. Dann beschränkt sich die Anwendbarkeit von § 25b UStG auf die drei unmittelbar miteinander Handelnden aus den drei Mitgliedstaaten.

 
Praxis-Beispiel

Ware gelangt bei drei Beteiligten vom ersten Unternehmer direkt zum Abnehmer

Unternehmer B aus Belgien bestellt bei Großhändler F in Frankreich eine Ware. F hat diese Ware nicht vorrätig und bestellt sie deshalb bei Hersteller D in Deutschland mit der Weisung, die Ware direkt an B nach Belgien zu versenden.

 

Rz. 6

Dieser alltägliche Fall erwies sich nach den Vorschriften, die in der 6. EG-Richtlinie zum innergemeinschaftlichen Erwerb bestanden, als erschreckend kompliziert, denn der Fall besteht nicht nur aus zwei Lieferungen[3], sondern umfasst auch zwei innergemeinschaftliche Erwerbe.[4]

 

Rz. 7

Damit war unvermeidlich, dass sich F wegen seines innergemeinschaftlichen Erwerbs aus der Hand des D in Belgien und wegen seiner dort steuerbaren Lieferung an F steuerlich erfassen lassen muss – ein Ergebnis, das schon bei der Umsetzung der Binnenmarktvorschriften zum 1.1.1993 allgemein als völlig unzumutbar empfunden wurde.

 

Rz. 8

Deshalb legte die Europäische Kommission den Vorschlag für eine Vereinfachungsrichtlinie vor, der am 14. 12.1992 vom Rat angenommen wurde (Rz. 5). Die damit geschaffene Regelung des Art. 28c 6. RL lebt unverändert fort in den folgenden Art. der seit dem 1.1.2007 geltenden MwStSystRL:

 

Rz. 9

Das deutsche Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz v. 25.8.1992[5] konnte die Vorschriften der 1. Vereinfachungsrichtlinie noch nicht berücksichtigen; auch das Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz v. 21.12.1992[6], durch welches das UStG zum 1.1.1993 noch einmal geändert wurde, nahm die Regelungen zum innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft (im Gegensatz zu den UStG der anderen EG-Mitgliedstaaten) nicht auf. Deutschland hatte sich nämlich in der Erwartung einer allgemeinen Regelung für alle Reihengeschäfte eine Umsetzung der Vorgaben zum innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft erst bis Ende 1993 vorbehalten.

 

Rz. 10

Aber auch nach dem 1.1.1994 blieb der deutsche Gesetzgeber zunächst untätig, weil man immer noch auf eine EG-einheitliche Regelung für alle Formen des Reihengeschäfts hoffte und dabei erwartete, dass sich vielleicht doch die seit dem 1.1.1993 in Deutschland geltende Lösung entsprechend dem Rechnungslauf[7] durchsetzen würde.

[1] Durch die RL (EU) 2018/1910 v. 4.12.2018; s. dazu § 3 Abs. 6a UStG Rz. 14ff. mit der Darstellung der Rspr. des EuGH zu den Reihengeschäftsfällen. Zur Umsetzung der RL in das UStG durch das JStG 2019 zum 1.1.2020 s. Widmann, MwStR 2019, 976 (978),

Auch die 6. EG-Richtlinie enthielt sich dazu einer Regelung.

[2] Langer, DB 1993, 602.
[3] D an F in Deutschland, vgl. § 3 Abs. 6 UStG und F an B in Belgien, vgl. § 3 Abs. 7
[4] Durch F in Frankreich wegen Verwendung der USt-IdNr. aus Frankreich (§ 3d S. 2 UStG) und in Belgien als dem Mitgliedstaat, in dem das Ende der Beförderung des gelieferten Gegenstands liegt (§ 3d S. 1 UStG).
[5] BGBl I 1992, 1548, BStBl I 1992, 552.
[6] BGBl I 1992, 2150.
[7] Vgl. dazu die Erläuterungen zu § 3 Abs. 8 UStG.

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