11.1 Allgemeines

 

Rz. 343

Da die Zollschuld stets in der gesetzlichen, d. h. zutreffenden Höhe entsteht, handelt es sich um den zu entrichtenden Betrag, der u. U. ursprünglich nicht in der richtigen Höhe mitgeteilt worden ist. In diesem Fall prüft die Zollbehörde von Amts wegen oder auf Antrag des Zollschuldners, ob der noch zu entrichtende Betrag erlassen oder der bereits entrichtete Betrag erstattet werden kann.[1] Der frühere Begriff "Nacherhebung" wird im UZK nicht mehr verwendet. Gleiches gilt nach § 21 Abs. 2 UStG grundsätzlich auch für die EUSt. Festgesetzte Abgaben können erlassen werden, wenn sie noch nicht entrichtet sind, und erstattet werden, wenn sie bereits entrichtet worden sind.[2]

 

Rz. 344

Darüber hinaus kennt das Zollrecht weitere Möglichkeiten, Zölle zu erlassen bzw. zu erstatten.[3] Eine sinngemäße Anwendung dieser Vorschriften auf die EUSt kommt in Betracht, wenn die diesen Vorschriften zugrunde liegenden Tatbestände auf die EUSt Anwendung finden, z. B. irrtümliche Anmeldung zur Endverwendung. Im Einzelfall ist zu entscheiden, ob diese Vorschriften auf die EUSt auch Anwendung finden, wenn von ihnen nur die EUSt, nicht aber Zölle betroffen sind, z. B. Erlass aufgrund besonderer Umstände, oder ob in der Eigenart der EUSt liegende Umstände weitere Erlass- bzw. Erstattungsmöglichkeiten eröffnen und inwieweit persönliche Billigkeitsgründe nach § 164 und § 227 AO berücksichtigt werden können.

 

Rz. 345

Vor Inkrafttreten des Unionszollrechts galten entsprechende Vorschriften in der AO getrennt für Zoll und EUSt, sodass insoweit eine Anwendung von Zollvorschriften auf die EUSt nicht in Betracht kam. Von der h. M. wird das Unionszollrecht nach § 21 Abs. 2 UStG sinngemäß auf die EUSt angewendet, auch soweit für die EUSt AO-Regelungen vorhanden sind.[4]

 

Rz. 346

Eine sinngemäße Anwendung von Unionszollrecht im Erlass- oder Erstattungsfall ist im UStG nicht ausdrücklich, nur in § 5 Abs. 3 vorgeschrieben sowie in der EUStBV (§ 1 Abs. 1, 2, 2a und 3 und § 14; § 5 UStG Rz. 36ff. und 403ff.). Die sinngemäße Anwendung von Vorschriften für Zölle gem. § 21 Abs. 1 UStG gilt auch für das Unionszollrecht, das deutsches Zollrecht verdrängt hat. Dies sind die Vorschriften über die Entstehung der EUSt, den Steuerschuldner, die Berechnung der EUSt sowie die Vorschriften über das Besteuerungsverfahren, d. h. über das Abfertigungsverfahren.

 

Rz. 347

Es bestehen Bedenken, diese Unionsbestimmungen auf die USt ohne Ermächtigung sinngemäß anzuwenden. Der Regelungsbereich dieser Vorschriften ist weder für die Verbrauchsteuern noch für die USt harmonisiert. Die MwStSystRL enthält für die USt keine entsprechenden Bestimmungen. Die sinngemäße Anwendung von Zollvorschriften ist darin nur für den Steuertatbestand und die Entstehung des Steueranspruchs vorgesehen.[5] Solange die allgemeinen Steuervorschriften nicht harmonisiert sind und die Besteuerungsgrundsätze (Bestandskraft, Billigkeit, Treu und Glauben) im Unionszollrecht nur unzureichend Berücksichtigung gefunden haben, bestehen Vorbehalte, dieses zuungunsten des Steuerpflichtigen auf die EUSt anzuwenden. Grund für die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften auf die EUSt ist, die Eingangsabfertigung von Waren dadurch zu vereinfachen, dass die Einfuhrabgaben durch eine Behörde nach demselben Verfahren in einem Steuerbescheid erhoben werden. Die in der AO enthaltenen Regelungen über die Verjährung und die Bestandskraft von EUSt-Bescheiden betreffen nicht die Eingangsabfertigung. Für die Erstattung von EUSt sind nicht die Zollämter, sondern Sachgebiete der Hauptzollämter zuständig. Darüber hinaus entspricht die Zuständigkeit der Zollverwaltung für die Verwaltung der EUSt nicht dem Vorschlag der Kommission im Weißbuch. Erstattungen erfolgen auch nicht unter dem Zeitdruck der Eingangsabfertigung, sondern i. d. R. durch Auswertung von Berichten der Außenprüfung oder der Zollfahndung. Zudem wird im Allgemeinen in Zollerlass/-erstattungsbescheiden von einer Erlass/Erstattung der EUSt abgesehen. Es besteht daher kein sachlicher Grund, die durch § 21 Abs. 1 UStG in das UStG einbezogenen Vorschriften der AO für Verbrauchsteuern durch Unionszollrecht zu ersetzen. Dies gilt umso mehr, als die Entscheidungen über Erlass von Zoll grundsätzlich unter Einbeziehung der Kommission erfolgen, ein Verfahren, das auf die EUSt nicht anzuwenden ist.

 

Rz. 348

Der Gesetzgeber hat diesen Bedenken teilweise Rechnung getragen und erstmals in § 5 Abs. 3 UStG 1993 den Verordnungsgeber ermächtigt, Vorschriften über die sinngemäße Anwendung der Unionszollbestimmungen zu Erlass/Erstattung auf die EUSt zu erlassen. Damit hat die Regelung in § 14 EUStBV eine Rechtsgrundlage erhalten. Persönliche Billigkeitsgründe, die für Zölle nicht anerkannt sind, können jedoch für die EUSt eingeschränkt Berücksichtigung finden. Die Einholung einer Entscheidung der Kommission für die EUSt wird nicht für notwendig erachtet, doch soll diese, wenn zugleich der Erlass von Zöllen beantragt ist, abgewartet werden, damit die Entscheidung über die EUSt m...

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