Rz. 300

Eine besondere Rolle bei der Frage des Beginns der Unternehmereigenschaft spielt die Frage der umsatzlosen Unternehmer (in der Literatur auch: erfolgloser Unternehmer). Nach der gesetzlichen Definition liegt die Unternehmereigenschaft dann vor, wenn der Unternehmer nachhaltig mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig wird (§ 2 Abs. 1 S. 3 UStG). Ein Problem ergibt sich dann, wenn der Unternehmer aus persönlichen, rechtlichen oder anderen Gründen nicht in der Lage ist, tatsächlich Leistungen im Rahmen seines Grundgeschäfts am Markt zu erbringen.

 

Rz. 301

Der BFH hatte dazu in diversen Urteilen entschieden[1], dass die Unternehmereigenschaft grundsätzlich nur dann gegeben sein kann, wenn der potenzielle Unternehmer tatsächlich mit einem Ausgangsumsatz im Rahmen seines Grundgeschäfts am Markt tätig geworden war. Umsätze, die als Hilfsgeschäfte einzustufen waren (z. B. Verkauf von Einrichtungsgegenständen nach gescheiterter Existenzgründung ohne tatsächliche Ausgangsumsätze im geplanten Grundgeschäft), waren danach nicht ausreichend, um die Unternehmereigenschaft zu erlangen. Dies wurde auch auf die Fälle erweitert, in denen schon bestehende Unternehmen ihre Tätigkeit auf Bereiche ausdehnen wollten, in denen sie bisher noch nicht unternehmerisch tätig geworden waren.

 

Rz. 302

Der EuGH[2] hat dieser in der Literatur zu Recht kritisierten Rechtsprechung des BFH aber fast vollständig den Boden entzogen. Der EuGH hat festgestellt, dass derjenige, der Vorbereitungshandlungen in ernsthafter Absicht, Umsätze am Markt zu erzielen, ausführt, die Unternehmereigenschaft erhält und diese ihm auch nicht rückwirkend wieder aberkannt werden kann. Ausgenommen davon sind lediglich Fälle des Betrugs oder des Missbrauchs. Damit muss der Unternehmer, der tatsächlich nicht mit Ausgangsumsätzen am Markt tätig wird, anhand von objektiven Kriterien nachweisen oder zumindest glaubhaft machen, dass er ernsthaft die Ausführung entgeltlicher Umsätze am Markt geplant hatte. Ein solcher Nachweis kann regelmäßig durch Vorbereitungshandlungen geführt werden, die der Unternehmer im Rahmen der Existenzgründung ausführt. Zu den einzelnen Vorbereitungshandlungen vgl. Rz. 277 und Abschn. 2.6 Abs. 2 UStAE. Allerdings ist hier für die Praxis zu unterscheiden, ob diese im Rahmen der Vorbereitungshandlungen in Anspruch genommenen Vorleistungen ausschließlich zur unternehmerischen Verwendung geeignet oder ob sie auch für eine nichtunternehmerische oder private Verwendung geeignet sind.

6.3.1 Vorleistungen dienen ausschließlich unternehmerischen Zwecken

 

Rz. 303

Soweit die bezogenen Vorbereitungshandlungen ausschließlich für unternehmerische Zwecke geeignet sind, wird mit Ausführung dieser Vorbereitungshandlungen schon die Unternehmereigenschaft begründet. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn die erworbenen Gegenstände oder bezogenen sonstigen Leistungen ihrer Art nach nur zur unternehmerischen Verwendung oder Nutzung bestimmt sind oder in einem objektiven und zweifelsfrei erkennbaren Zusammenhang mit der beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit stehen. Damit stehen dem Unternehmer schon ab diesem Zeitpunkt die Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 1 UStG zu. Sollte es später nicht zur Ausführung von Umsätzen im Grundgeschäft kommen, kann die Unternehmereigenschaft auch nicht rückwirkend aberkannt werden.

6.3.2 Vorleistungen können auch nichtunternehmerischen Zwecken dienen

 

Rz. 304

Bei bezogenen Lieferungen oder sonstigen Leistungen, die sowohl unternehmerischen Zwecken als auch nichtunternehmerischen Zwecken dienen können (z. B. Einkauf eines Computers oder eines Pkw), gelten grundsätzlich dieselben Voraussetzungen für die Beurteilung der Zuordnungsmöglichkeit und der Begründung der Unternehmereigenschaft. Dabei ist schon im Zeitpunkt des jeweiligen Leistungsbezugs die beabsichtigte unternehmerische Tätigkeit nach objektiven Kriterien zu begründen; soweit eine Verwendung für unternehmerische Zwecke nachweisbar ist, steht dem Vorsteuerabzug eine vorübergehende nichtunternehmerische Verwendung nicht entgegen.[1] Alleine das Behaupten einer späteren unternehmerischen Betätigung kann als Vorbereitungshandlung noch nicht die Unternehmereigenschaft begründen. Die Unternehmereigenschaft muss somit durch weitere Nachweise begründet werden. Dies kann u. a. durch die zeitnahe tatsächliche Ausführung von entgeltlichen Umsätzen am Markt erfolgen oder durch weitere, eindeutig auf die Ernsthaftigkeit der Umsatzerzielungsabsicht hindeutende Vorbereitungshandlungen begründet werden.

 

Rz. 305

Allerdings ist zu beachten, dass vor dem Hintergrund des Sofortabzugs der USt als Vorsteuer die Entscheidung, ob eine unternehmerische Betätigung i. S. d. § 2 UStG vorliegt, nicht zurückgestellt werden kann. Die Entscheidung muss sofort getroffen werden und kann nicht erst endgültig getroffen werden, wenn tatsächlich Umsätze gegen Entgelt ausgeführt werden. Auch können die objektiv zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs vorliegenden Gründe, die für eine nachhaltige wirtschaft...

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